Krisenmanagement: ÖVP wehrt sich gegen Stärkung des Kanzlers

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PK INNENMINISTER SOBOTKA (c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Der Bundeskanzler soll auch im Krisenfall seinen Ministern nichts anschaffen dürfen, so Wolfgang Sobotka.

Wien. Kein Vorhaben der Koalition läuft derzeit ohne gröbere Unstimmigkeiten ab. So auch die Pläne für ein neu aufgesetztes Krisenmanagement: Heute, Dienstag, soll die Arbeitsgruppe Sicherheit im Ministerrat ihr Konzept dafür präsentieren, wie die Abläufe und die Koordination in Krisenfällen – von Pandemien über Naturkatastrophen bis hin zu Terroranschlägen – verbessert werden können. Am Montagabend fixierte die Regierung ihr Paket. Dabei geht es um das Zusammenspiel von Bundesheer und Polizei, wobei SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil die Rolle des Militärs gern stärken würde. Und es geht um die Installierung eines „Sicherheitskabinetts“, das in Krisenfällen einberufen würde.

Dieses Sicherheitskabinett sorgte im Vorfeld für einige Unstimmigkeiten. Mitglieder sollen der Bundeskanzler, der Vizekanzler, der Außen-, der Innen-, Verteidigungs- und Gesundheitsminister sein. Zudem soll eine im Bundeskanzleramt angesiedelte neue Organisationseinheit gegründet werden, die dem Kabinett zuarbeitet. Die Größenordnung ist noch offen, es soll aber kein „Moloch“ werden. Für Aufregung sorgten Pläne, dass der Bundeskanzler in diesem Sicherheitskabinett eine Richtlinienkompetenz erhalten soll, also seinen Ministern Weisungen geben könnte. Das ist in Deutschland geltendes Recht, in Österreich würde es aber eine Aufwertung des Bundeskanzlers bedeuten: Hier gilt die Ministerverantwortung. Weisungen sind rechtlich nicht möglich.

Sobotka: „Kommt nicht infrage“

Entsprechend harsch fiel die Reaktion von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) aus: Von einer Richtlinienkompetenz für den Kanzler wollte er nichts wissen. „Das kommt für uns nicht infrage“, hieß es aus seinem Büro. Überhaupt seien die Pläne, die am Montag anfangs durchsickerten, lediglich ein „Diskussionspapier“. Prinzipiell könne man sich aber durchaus vorstellen, dass ein Sicherheitskabinett geschaffen werde.

Im Ernstfall sollen ausgewählte Minister mit dem Kanzler zu einer Krisensitzung zusammenkommen. Die Entscheidungen sollten aber auch weiterhin vom jeweiligen Ressortchef getroffen werden – und nicht vom Kanzler. Die Richtlinienkompetenz sei ohnehin nie angedacht worden, hieß es dazu am Montag aus dem Büro von Verteidigungsminister Doskozil.

Umstritten ist auch die neue Verteilung von Kompetenzen zwischen Heer und Polizei. Bisher konnte das Bundesheer im Inland nur in Form von „Assistenzeinsätzen“ für das Innenministerium oder auch für andere Gebietskörperschaften tätig werden. Doskozil will die Befugnisse des Heeres ausweiten, was bei Sobotka auf Skepsis stößt: „In Österreich hat das Bundesheer immer noch eine Assistenzaufgabe.“ Die Polizei übe hingegen den Vollzug aus. Änderung in diesem Bereich seien rechtlich sehr heikel.

Aufwertung des Generalstabschefs?

Heikel sind auch andere kolportierte Pläne im Verteidigungsministerium: Das Ressort solle so umgestaltet werden, dass fast alle Führungspositionen von Zivilisten eingenommen werden, hieß es am Montag. So solle die Funktion des Generalstabschefs durch einen Generalsekretär ersetzt werden. Auch die Sektion III, die für Logistik und Beschaffung zuständig ist, soll künftig von einem Zivilisten geleitet werden. Da die Sektionen I (Recht und Personal) und V (Sport) schon derzeit von Zivilisten geleitet werden, bliebe für das Militär nur die Sektion IV (Einsatzplanung). Für diese Funktion soll Karl Schmidseder vorgesehen sein, der Doskozils Kabinettschef war und zum General aufsteigen soll.

Ein Sprecher von Verteidigungsminister Doskozil dementiert: Im Gespräch sei zwar die Schaffung eines Generalsekretärs, doch der Generalstabschef solle diese Aufgabe zusätzlich übernehmen. Es gehe also um eine Aufwertung des Generalstabschefs, nicht um eine Demontage. So könnte der General auch ein Weisungsrecht über zivile Sektionen bekommen.

Dem Vernehmen nach soll allerdings das Bundeskanzleramt ein Interesse daran haben, die (bisherigen) militärischen Positionen mit zivilen Personen zu besetzen. Der Grund: Nach und nach könnten so auch auf den unteren Ebenen billigere, zivile Kräfte eingesetzt werden, befürchtet man im Verteidigungsressort. Im Heer will man sich gegen diese Pläne wehren – die Verhandlungen mit dem Bundeskanzleramt laufen allerdings noch.

AUF EINEN BLICK

Krisenkabinett. Im Fall von Pandemien, Naturkatastrophen oder Terroranschlägen soll künftig ein Krisenkabinett zusammentreten. Diesem gehören der Bundeskanzler, der Vizekanzler sowie der Außen-, Innen-, Verteidigungs- und Gesundheitsminister an. Offen ist, ob der Bundeskanzler diesem Krisenkabinett nur vorsitzt, oder ob er auch eine „Richtlinienkompetenz“ erhält und damit den Ministern Weisungen geben kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2016)

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