Wifo und IHS senken ihre Wachstumsprognose für 2017 auf 1,5 bzw. 1,3 Prozent. Heuer zeigt sich zwar mehr Dynamik, aber das sind einmalige Sondereffekte.
Wien. Wenn es doch nur eine Prognose für heuer gäbe! Sie könnte durchaus optimistisch stimmen: Österreichs Wirtschaft wächst deutlich stärker als in den vergangenen vier Jahren. Der Konsum belebt sich, Unternehmen investieren wieder, und auch der Bau zieht endlich an. Nach Jahren, in denen das Land zu den Schlusslichtern Europas zählte, findet es wieder Anschluss an die Dynamik von EU und Euroraum. Aber ach: Das ist nicht der Beginn eines kräftigen Aufschwungs. Die beiden führenden Forschungsinstitute Wifo und IHS senken ihre Prognose für 2017 ab. Statt so stark wie in diesem Jahr (1,7 Prozent laut Wifo, 1,5 Prozent laut IHS) dürfte die Wirtschaft 2017 um 0,2 Prozentpunkte schwächer wachsen. Das Fazit des neuen Wifo-Chefs, Christoph Badelt: „Wir sollten uns keine Illusionen machen, dass wir aus den wirtschaftspolitischen Problemen herauswachsen können.“

Gründe für die gedämpfte Erwartung sind schnell gefunden: Treiber des Wachstums sind aktuell die Steuerreform und die gestiegene Bevölkerungszahl durch die Flüchtlingswelle. Beides führt zu mehr Konsum. Aber beides sind Sonderfaktoren: Das Volumen springt einmalig auf ein höheres Niveau und verbleibt dann dort. Ähnlich verhält es sich beim erfreulichen Anstieg der Investitionen: Nach vier Jahren sehr schwacher Investitionstätigkeit hat sich bei den Unternehmen ein hoher Ersatzbedarf aufgestaut, der aber schon bald befriedigt sein dürfte. Denn die Auslastung hat sich im Lauf des Jahres sogar verringert. Eine echte Erweiterung ihrer Kapazitäten planen nur sehr wenige Firmen. Auch deshalb, weil sich die Exporte schon jetzt schwächer entwickeln als erwartet. Für IHS-Experten Helmut Hofer würden auch Anreize wie eine vorzeitige Abschreibung oder Investitionsprämien „nichts bringen“ – wenn ein Unternehmen bei so niedrigen Zinsen nicht investiert, lasse es sich auch anders nicht dazu bewegen.
Damit bleibt das Wachstum zu verhalten, um für weniger Arbeitslose zu sorgen. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter, wenn auch abgeschwächt. Es kommen Flüchtlinge dazu, von denen viele wegen der langen Verfahren erst 2017 Asylstatus erhalten und von da an als Arbeitslose gezählt werden. Weiterhin drängen Frauen, Ältere und Osteuropäer auf den Arbeitsmarkt, der sie nicht alle aufnehmen kann. Für Hofer kein Grund, an der Mobilität der Arbeitskräfte in der EU zu rütteln: Sie sei „sehr, sehr positiv“. Für die Politik bleibe nur, für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen, damit Unternehmen mehr Arbeit nachfragen. Eine Vollbeschäftigung, wie sie Kanzler Kern beschwört, sieht auch Badelt „nicht am Horizont“. Und Hofer spottet sanft: Es sei nie klar gewesen, ab wann man von Vollbeschäftigung sprechen kann, „aber neun Prozent Arbeitslosigkeit ist sicher keine“.
Noch wächst Deutschland stärker
Was sehr wohl zurückkommt, ist die Inflation, durch wieder steigende Energiepreise. Aber die Höhe der Teuerung bleibt wenig bedenklich, und der gefährliche Abstand zu Deutschland und Euroraum sollte sich weiter verringern. Einig sind sich beide Institute darüber, dass Freihandel den Wohlstand steigert und jede Tendenz zur Abschottung schädlich ist. Zur politischen Diskussion über TTIP und Ceta will Badelt lieber nichts sagen: „Da würde ich in einem Ausmaß emotional, wie es sich für eine Pressekonferenz nicht gehört.“ In die TTIP-Verhandlungen sollten zwar berechtigte Sorgen („Es gibt auch sehr unberechtigte“) einfließen, beim fertig verhandelten Ceta-Abkommen mit Kanada sei das Bild aber „eindeutig positiv“.
Deutschland hat es besser, zumindest noch heuer. Die Institute dort erhöhen ihre Wachstumsprognose von 1,6 auf 1,9 Prozent. Der Konsum zieht kräftiger (und schon länger) an als hierzulande. Denn die Reallöhne konnten stärker steigen, dank niedrigerer Inflation und höherer Produktivität. Freilich soll sich auch beim großen Nachbarn die Dynamik 2017 abschwächen, auf nur noch 1,4 Prozent. Womit, wenn die Prognose stimmt, die Misstöne künftig im Gleichklang laufen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2016)