Reise-Kombi Gesundheit und Kultur

Themenbild: Der Trip zum Beauty-Doc
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Medizintourismus ist weltweit eine boomende Branche mit enormen Zuwächsen. In Österreich hätte dieser Sektor, würde er ausgeschöpft, ein Potenzial von 120 Millionen Euro.

Das Zahnimplantat an der ungarischen Grenze, das Augenlasern in Prag und der Trip zum Beauty-Doc in Polen: Der sogenannte Medizintourismus hält sich in Ländern mit großzügigen Krankenversicherungen wie Österreich oder Deutschland zwar in Grenzen; wenn es um Behandlungen geht, die selbst zu zahlen sind, begibt sich aber auch manch heimischer Patient auf Reisen, um Kosten zu sparen. In Ländern, in denen die Gesundheitsversorgung grundsätzlich schlecht ist, hohe Selbstbehalte zu entrichten sind und/oder viele Menschen keine oder nur mangelhafte Versicherungen haben, nehmen diese Reisen dagegen weitaus größere Ausmaße an. So haben beispielsweise kanadische Zahnärzten jede Menge US-amerikanische Kunden, und auch in heimischen Krankenhäusern wie dem AKH sind bekanntlich gelegentlich ausländische Größen zu Gast.

Die Summen, die mit diesem Tourismus umgesetzt werden, sind beachtlich: So schätzt das aktuelle Monitoring des International Healthcare Research Center (IHRC), das jährlich den sogenannten Medical Tourism Index erstellt, den jährlichen Markt des Medizintourismus auf 439 Milliarden US-Dollar (rund 393 Mrd. Euro). Mehr als elf Millionen Menschen sind nach diesen Zahlen jedes Jahr in Sachen Gesundheit unterwegs, was drei bis vier Prozent der Weltbevölkerung ausmacht. Mit steigender Tendenz, denn derzeit kann sich dieses Reisesegment über 25 Prozent Wachstum im Jahr freuen.

Jahressieger Kanada

Darüber hinaus gibt der Index Aufschluss darüber, welche Destinationen in Sachen Gesundheit ganz oben auf der Beliebtheitsliste stehen. Ermittelt wird dieser aus allgemeinen Faktoren wie der Sicherheits- und wirtschaftlichen Lage, aber auch dem Kulturangebot des Landes, der Kombination aus touristischer Attraktivität und Behandlungskosten sowie als drittem Bereich der medizinischen Reputation von Ärzten, Einrichtungen und ihrer Internationalisierung sowie den Empfehlungen anderer Patienten. An der Spitze dieser Destinationen steht im Gesamtranking heuer Kanada, gefolgt von Großbritannien, Israel, Singapur und Indien, ehe Deutschland auf dem sechsten Platz folgt. Insgesamt 41 Destinationen sind in dem Ranking erfasst, darunter auf den ersten Blick auch eher nicht vermutete Ziele wie die Philippinen (Platz 19), Tunesien (36), der Libanon (40) oder der Iran (41).

Schwach vertreten sind die Europäer: Hier finden sich neben Deutschland nur noch Italien auf Platz neun, Spanien auf dem elften Rang, Polen auf dem 24. und Malta auf dem 26. Platz, Österreich taucht hier genauso wenig auf wie Frankreich oder die skandinavischen Länder. Untersucht man die Destinationen hinsichtlich der Qualität und des Rufs ihrer medizinischen Einrichtungen und Ärzte, steht Israel an erster Stelle, gefolgt von Deutschland, Indien, Kanada und Großbritannien; geht es um die Attraktivität finden sich unter den Top Five Costa Rica vor Jamaika, Italien, Brasilien und Frankreich. Hinsichtlich der Kosten hat Kanada die Nase vor Costa Rica, den Philippinen, Mexiko und Kolumbien vorn. Und die höchste medizinische Reputation genießen die Ärzte und Einrichtungen in Israel vor jenen in Singapur, Kanada, Großbritannien und Deutschland.

Österreich taucht in dem Ranking gar nicht auf, was Renée-Marie Stephano, Präsidentin der Medical Tourism Association und Mitherausgeberin der Studie, auf Nachfrage der „Presse“ damit begründet, dass die Erhebung schwerpunktmäßig die US-amerikanische Perspektive aufzeige – was aber das gute Abschneiden beispielsweise Deutschlands nicht erklären kann. Und so räumt auch Stephano ein, dass das Abschneiden der Alpenrepublik wohl „teilweise einer gewissen Markenschwäche der Branche zuzurechnen ist, aus rein amerikanischer Perspektive“. Dass dies aber nicht nur eine Perspektiven-Frage ist, wissen auch die heimischen Player, wie ein kürzlich in der „Presse“ erschienener Bericht unter dem vielsagenden Titel „Mauerblümchen Medizintourismus“ aufzeigt. Darin wird das geschätzte Potenzial dieses Sektors für Österreich mit 120 Millionen Euro angegeben – das aber nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft werde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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