Leonie Benesch: Genau diese Naivität, die Eva hat

(c) AP (LIONEL CIRONNEAU)
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Die junge Schauspielerin Leonie Benesch, die in Michael Hanekes "Das weiße Band" die scheue Verlobte des Dorflehrers spielt, wird als Entdeckung gefeiert.

Sie spielen in „Das weiße Band“, dem neuen Film von Michael Haneke, der in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, als 17-Jährige die weibliche Hauptrolle, während Sie „hauptberuflich“ noch in die Schule gehen. Wie ist es dazu gekommen? Wollten Sie immer schon Schauspielerin werden?

Leonie Benesch: Es ist natürlich der Traum von jedem 12-, 13-jährigen Mädchen, so ein Teeniestar zu sein. Dann hatten wir auch das Klassenspiel, da hat's mir richtig Spaß gemacht. Ich durfte im Sommernachtstraum die Hermia spielen. Ein Mädchen auf der Schule gab mir die Adresse einer Agentur, bei der ich mich gemeldet habe. Zunächst blieben Angebote aus. Dann folgten Castings für Kinderfilme, aber ich wurde nie genommen. 2006 spielte ich eine Nebenrolle, aber wirklich winzig, in „Beautiful Bitch“. Danach war's das eigentlich für mich, ich hab' nicht mehr so dafür gebrannt. Dann kam die Anfrage für „Das weiße Band“.

Sie hatten bis dahin keinen Schauspielunterricht. Was war denn für Sie das Schwierigste an der Rolle der Eva?

Bisher hatte ich einfach immer nur ausprobiert. Es gibt da die Szene in der Schule, in der Eva weint, weil sie im Gut rausgeworfen wurde. Ich habe geglaubt, Schauspieler kriegen etwas ins Auge, und dann läuft das schon. Dann hat mir Haneke eröffnet, er will mich unbedingt für die Rolle haben, ich wäre genau der Typ, den er sucht, aber er will, dass die Emotion wirklich da ist. Das war meine allergrößte Angst, ob ich das hinkriege.

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Haneke wollte, dass ich gezielt Schauspielunterricht nehme. Also bin ich jede zweite Woche am Freitag nach der Schule nach München, hatte drei Stunden Unterricht, am Samstag noch mal drei bis vier Stunden, das war sehr anstrengend. Haneke ging's am Ende bei mir nur noch um die Weinszene, dann war ich besetzt. Das Krasseste, was ich für die Szene benutzt habe, war die Angst vor der Szene selbst.

Hat Sie der Schauspielunterricht auch persönlich verändert?

Auf jeden Fall. Der Unterricht bestand zu 80 Prozent aus reden, beim „Method Acting“ arbeitet man ganz viel mit eigenen Erlebnissen: Man hat für jeden Menschen, der einem im Film begegnet, eine „Personalization“, also jemanden, der im eigenen Leben dazupasst. Das verbinde ich dann, indem ich es mir bewusst mache, bevor die Szene gespielt wird. Der Unterricht war wie eine Art Psychotherapie, nur dass es nicht darum ging, meine Psyche aufzubauen, sondern zu wissen, wie ich sie benutzen kann.

War es schwierig, die Dreharbeiten mit der Schule zu vereinbaren?

Ich hab' Glück, weil mir das Lernen eher leicht fällt. Das Anstrengendste war immer das Hin- und Hergehüpfe zwischen diesen zwei Welten, weil meine Freunde keine Ahnung haben, was ich da den Tag über gemacht habe, und andererseits die Leute am Set nicht wissen, wie das ist, noch in der Schule zu sein. Es fehlt einem immer ein bisschen der Anschluss, aber es hat funktioniert. In der Schule haben wir abgeklärt, dass ich freie Hand habe, aber dass mir auch nichts hinterhergeschmissen wird.

Wie war es, mit so namhaften Schauspielern und einem bekannten Regisseur zusammenzuarbeiten?

Mir als Laie waren sie nicht bekannt, ich habe mich aber dann natürlich informiert. Wenn man solchen Leuten begegnet, passiert es automatisch, dass man über Gebühr Respekt hat. Das ist natürlich grundlos, denn es sind völlig normale Menschen, nett und bodenständig. Haneke wird ja gefürchtet, er kann auf jeden Fall laut werden, aber ich persönlich war davon nie betroffen. Erst nach dem Casting habe ich seinen Namen gegoogelt und gekuckt, was er gemacht hat. Das hat mir im Endeffekt die Rolle gesichert, dass ich nichts über ihn wusste. Genau diese Naivität, die Eva hat.

Hat die Rolle in dem Film Ihren Wunsch verfestigt, Schauspielerin zu werden?

Der Wunsch hat sich umgedreht, früher wollte man schauspielern, damit man geliebt und berühmt wird. Jetzt will ich es nur, wenn ich weiß, dass es mir gelingt, etwas von mir nach draußen zu bringen. Es hat total viel Spaß gemacht, aber ich wusste nach dem ganzen Rummel nicht, ob ich weitermachen will. Wir haben demnächst unser Klassenspiel, „Some Like It Hot“, ich habe die Rolle der Sugar. Und ich hoffe, dass ich da ein bisschen die Freude am Spielen zurückbekomme.

Sie waren in Cannes, haben in die glamouröse Filmwelt hineingeschnuppert. Haben Sie Angst, dass Ihnen das zu Kopf steigt?

Sicher hat jeder Mensch seine eitle Seite. Aber gerade nach Cannes wusste ich überhaupt nicht, wo mir der Kopf stand. Was ist, wenn ich eine total arrogante Ziege werde? Aber in den Ferien habe ich Abstand gewonnen – jetzt sehe ich das Ganze lockerer.

Wie reagiert die Familie auf Ihren Erfolg?

Meine Geschwister – ich habe drei kleine Brüder – gehen damit ganz cool um. Meine Eltern? Ich glaube schon, dass sie stolz sind, aber die würden das nie so direkt zugeben. Ich habe super Rückhalt, weil in so einer großen Familie der Alltag weitergeht. Wenn man zurückkommt von einem tollen Set, ist es zu Hause trotzdem stinknormal, dann wird halt abgewaschen, ich muss mal kochen, und übrigens, die Kellertreppe muss noch gewischt werden.

Falls Sie nicht Schauspielerin werden – welcher Beruf schwebt Ihnen dann vor?

Irgendetwas in Richtung Entwicklungshilfe, wo man praktisch was tut, direkt hilft, am besten vor Ort. Aber einen genauen Berufswunsch hab' ich noch nicht.

„Das weiße Band“ von Michael Haneke gewann heuer die Goldene Palme der Filmfestspiele von Cannes. Das schwarz-weiße Historiendrama handelt von unheimlichen Unglücksfällen in einem norddeutschen Dorf am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Kinostart ist am nächsten Donnerstag, dem 24.9.

Leonie Benesch wurde 1991 geboren. Sie lebt in Tübingen, wo sie die Waldorfschule besucht. Im Film „Beautiful Bitch“ hatte sie 2006 ihre erste (kleine) Rolle. Nach dem Film „Das weiße Band“ wird sie in „Satte Farben vor Schwarz“ von Sophie Heldmann mit Bruno Ganz und Senta Berger zu sehen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2009)

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