„Wir waren nicht mehr nur kleiner Zulieferer“

Austromir belebte die Weltraumszene. Aktuell erzeugt die kommerzialisierte Raumfahrt Druck.

„Das kleine Österreich hat mit Austromir groß aufgezeigt und sich als wissenschaftlicher und industrieller Partner präsentiert“, sagt der Geschäftsführer der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG, Klaus Pseiner. Auch er hat Weltraumhintergrund, war zunächst Projektingenieur bei der Österreichischen Raumfahrt- und Systemtechnik GmbH, ab 1989 in der strategischen Technologieplanung des Europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrums Estec und 1998 Kopf der Austrian Space Agency (ASA). Aktuell ist er außerdem Vize-Vorsitzender des Rats der Europäischen Raumfahrtagentur ESA.

„Österreich war mit Austromir nicht mehr nur kleiner Zulieferer, sondern hatte eine Art Systemverantwortung, was die österreichischen Experimente betrifft“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“. Man habe damals gezeigt, dass man das kann und sei heute ein international geschätzter Partner. Rund 100 österreichische Forschungseinrichtungen, Universitäten und Unternehmen sind aktuell auf dem Weltraumsektor aktiv.

Direkter Nutzen auf der Erde

Der astronautischen Raumfahrt hat man dabei aber den Rücken gekehrt: Die Neutralität Österreichs soll einer Beteiligung an der Internationalen Raumstation ISS im Weg gestanden sein. Diese nutzen die Amerikaner nämlich auch zu militärischen Zwecken. Aber es heißt auch, dass der volkswirtschaftliche Nutzen in anderen Bereichen größer sei. Tatsächlich sind Entwicklungen für das All nichts Abgehobenes. Sie bringen fast immer konkrete Anwendungen für den Alltag.

Wissenschaftler der steirischen Forschungsgesellschaft Joanneum Research und der TU Graz arbeiten etwa an Satellitenkommunikationssystemen für den Katastrophenschutz oder die Telemedizin. Magna Steyr baut die Flüssigwasserstoff-Treibstoffleitungen für die Ariane 5 – und nutzt die Erkenntnisse für den Automobilbau. Das Wiener Unternehmen Eox liefert die Software für Geodatenlogistik, auf die die ESA bei Erdbeobachtungen zurückgreift. Und die ebenfalls in Wien ansässige Ruag Space Austria ist Marktführer bei Navigationsempfängern, mit denen sich die Position von Satelliten feststellen lässt.

Die Wissenschaft war schneller

Geschäftsführer Max Kowatsch ist zugleich Präsident der Vereinigung der österreichischen Weltraumindustrie und Forschung, der Austrospace. Während Österreich in der Weltraumforschung bereits eine lange Tradition habe, sei die Industrie erst mit der Vollmitgliedschaft bei der ESA nachgezogen, sagt er. Diese habe in den 1980er-Jahren mehr Möglichkeiten eröffnet, auf dem Markt Fuß zu fassen.

Herausforderungen für die Zukunft sieht der Elektrotechniker besonders in der starken Kommerzialisierung der Raumfahrt: Vor allem in den USA drängten Privatunternehmen mit niedrigen Kosten für Raketenstarts auf den Markt. Eine ähnliche Entwicklung sei auch in der Satellitentechnik zu beobachten, bei der an billigeren, weniger langlebigen Systemen gebaut wird.

Der sogenannte New Space bringt die Branche zunehmend unter Druck. Darauf müsse Europa eine entsprechend Antwort finden, sagt FFG-Geschäftsführer Pseiner. Sie könnte Ariane 6 heißen – und ein neues, günstigeres Trägersystem bringen. Man müsse den autonomen Zugang zum Weltall jedenfalls behalten, so Pseiner. (gral)

IN ZAHLEN

100 Forschungseinrichtungen, Unis und Unternehmen in Österreich arbeiten an der Entwicklung von europäischen und internationalen Weltraummissionen mit. Ziele sind die Erforschung des Universums, des Sonnen- und des Erdsystems.

1000 Mitarbeiter sind hierzulande im Weltraumsektor beschäftigt. Sie entwickeln und liefern u. a. Messinstrumente und Teile von Satelliten und Trägersystemen. Mit ihrer Arbeit erwirtschaften sie einen jährlichen Umsatz von 125 Millionen Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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