Ein großer Schritt für das kleine Österreich

Soldaten beobachten das Aufstellen der Sojus-TM 13
Soldaten beobachten das Aufstellen der Sojus-TM 13JÄGER R. / APA / picturedesk.com
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Am 2. Oktober 1991 startete eine sowjetische Sojus-Rakete. An Bord flog Franz Viehböck als erster – und bislang einziger – Österreicher ins All. Eine Erfolgsgeschichte in Rot-Weiß-Rot, die für die heimische Weltraumforschung bis heute als Motor wirkt.

Für Franz Viehböck begann einst alles mit einem Zufall. Er schrieb gerade an seiner Dissertation. Die Frau seines damaligen Vorgesetzten an der Uni hörte die Meldung im Radio: Für ein gemeinsames Raumfahrtprojekt mit der Sowjetunion wurden dreißig- bis vierzigjährige Absolventen eines naturwissenschaftlichen Studiums gesucht. Sie erzählte ihm davon und meinte, dass er einen ganz passablen Kosmonauten abgeben würde. Zuerst habe er nicht ernsthaft darüber nachgedacht, schrieb Viehböck später. Dann überlegte er und sendete der Austrian Space Agency seine Bewerbung schließlich am letzten Tag der Frist.

"Austronaut" Franz Viehböck
"Austronaut" Franz ViehböckAPA/ROBERT JAEGER

Die Einladung der Russen mag auch ein politisches Signal gewesen sein – sie wurde 1987, also noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs ausgesprochen. Für Österreichs Weltraumforschung bot sie die Gelegenheit, erstmals bei einer bemannten Mission dabei zu sein. Für kurze Zeit definierte sich Nationalstolz über die Wissenschaft und nicht in erster Linie über Sport und Musik.

Grüße aus dem All

Zum Start im kasachischen Baikonur am 2. Oktober 1991 reiste Bundeskanzler Franz Vranitzky an, mit ihm u. a. der amtierende und der ehemalige Wissenschaftsminister, Erhard Busek und Hans Tuppy. Nach dem Andocken an der Raumstation MIR unterhielt sich Bundespräsident Kurt Waldheim in einer Videokonferenzschaltung direkt mit dem ersten Austronauten.

Österreichische Messgeräte waren bereits zuvor an Bord sowjetischer Weltraumsonden zur Venus, zum Marsmond Phobos oder zum Kometen Halley geflogen. Das Grazer Institut für Weltraumforschung kooperierte schon länger mit russischen Wissenschaftlern. Dessen Direktor Willibald Riedler wurde schließlich zum wissenschaftlichen Leiter von Austromir '91 bestellt. Er koordinierte das Großforschungsgroßprojekt: Rund 20 Universitätsinstitute und -kliniken sowie etwa 30 Firmen beteiligten sich. Insgesamt 15 Experimente aus den Bereichen Weltraummedizin, Physik und Weltraumtechnologie wurden durchgeführt. „Die Instrumente dazu mussten erst entwickelt und gebaut werden“, berichtet Riedler heute (siehe Interview rechts).

Die Austromir-Mission sei damals in der kleinen und sich langsam entwickelnden Weltraumszene ein „traumhaftes Geschenk“ gewesen: Die österreichische Weltraumforschung habe mit ihr „einen unglaublichen Boost“ (Anschub, Anm.) erfahren, sagt der Geschäftsführer der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG, Klaus Pseiner.

Zwei Jahre im Sternenstädtchen

Für den Raumflug hatten sich insgesamt 198 Kandidaten beworben. Sie wurden öffentlich gesucht, auch in Zeitungsinseraten. Ihre Zahl reduzierte sich in einem zehnstufigen Verfahren mit strengen Tests auf zwei Personen: den aus Niederösterreich stammenden Elektrotechniker Franz Viehböck und den Wiener Mediziner Clemens Lothaller. Beide absolvierten ein zweijähriges Training im sogenannten Sternenstädtchen bei Moskau.

In einer knappen Entscheidung wird schließlich Viehböck ausgewählt. Er geht am 2. Oktober 1991 mit dem Russen Alexander Wolkow und dem Kasachen Tachtar Aubakirow an Bord der Sojus-TM 13. Fünf Sekunden vor dem Start heißt es „sashiganije“, also zünden. Um 6.59 Uhr hebt die Rakete mit einer Kraft von 100 Millionen PS von der Rampe ab.

Acht Tage später, am 10. Oktober kehren die die Kosmonauten in einer Landekapsel auf die Erde zurück. „Mir geht es gut – alles in Ordnung. Es war aber eine harte Landung. Wenn ich dafür nicht so viel trainiert hätte, wäre mir das Herz in die Hose gerutscht“, sagt Viehböck unmittelbar danach.

Er berichtete in den folgenden zwei Jahren in Vorträgen über seine Erfahrungen im All. Danach arbeitete er in den USA bei der Firma Rockwell International, später für Boeing in Wien. Heute ist er im Vorstand der Berndorf AG. Neben der großen Bekanntheit brachte ihm die Mission aber noch eine andere Sternstunde: Acht Stunden und 32 Minuten nach dem Start wurde Tochter Carina Marie geboren. Er hielt sie nach seiner Rückkehr zur Erde erstmals in den Armen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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