Warum in Aleppo so verbissen gekämpft wird

Rebel fighters carry their weapons in northern Aleppo countryside
Rebel fighters carry their weapons in northern Aleppo countrysideREUTERS
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Die Großstadt ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und Basis zahlreicher Rebellengruppen.

Sie war eine pulsierende Handelsmetropole mit einer wunderschönen Altstadt, die zum Weltkulturerbe zählt. Mehr als zwei Millionen Menschen lebten vor dem Bürgerkrieg in Aleppo. Heute liegen große Teile der Stadt in Schutt und Asche. Der Westen Aleppos wird vom syrischen Regime kontrolliert, der Osten von verschiedenen Rebellenbrigaden, das Viertel Scheich Maqsoud von kurdischen Einheiten.

Syriens Regime versucht derzeit mit aller Gewalt, Aleppo völlig unter seine Kontrolle zu bringen. Die Rebellenviertel werden permanent von der syrischen und der mit ihr verbündeten russischen Luftwaffe bombardiert. Im Juli gelang es Regimetruppen, die Castello Road, den letzten Versorgungsweg der Aufständischen, zu kappen. Die Strategie für die Eroberung der Rebellenviertel scheint so auszusehen: Einschließen, aushungern und unter Dauerbeschuss nehmen, die Menschen zermürben. Eine ähnliche Vorgangsweise wählte der Kreml 1999 und 2000 bei der Einnahme der tschetschenischen Hauptstadt Grosny.

Die Schlacht um Aleppo wird so verbissen geführt, weil die Stadt große strategische Bedeutung besitzt. Sie ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Mit einer Niederlage würden die Rebellen eine der letzten größeren Städte verlieren – und sich von der Idee verabschieden müssen, sie könnten das Regime aus Nordsyrien vertreiben.

Die wichtigsten Rebellendachverbände in Aleppo sind Fatah Halab (Eroberung Aleppos) und Jaish al-Fatah (Armee der Eroberung). In Fatah Halab kämpfen islamistische Gruppen und Einheiten der Freien Syrischen Armee (FSA). Jaish al-Fatah ist ein Sammelbecken teilweise jihadistischer Gruppen wie Ahrar al-Sham und dem al-Qaida-Ableger al-Nusra-Front. Al-Nusra hat sich mittlerweile umbenannt und – zumindest offiziell – von al-Qaida distanziert. Ihre Ideologie blieb aber gleich.

Anders als die Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) gingen al-Nusra und Ahrar al-Sham stets Allianzen mit moderateren Rebellen ein und werden von diesen wegen ihrer Kampfkraft geschätzt. Das macht die Lage für die USA kompliziert. Denn al-Nusra gehört für sie neben dem IS zu den Gruppen, die in Syrien auch bei einer Waffenruhe bekämpft werden müssen. Zugleich würde aber ein Zusammenbruch al-Nusras den Rebellendachverband Jaish al-Fatah und damit auch den Widerstand gegen das Regime in Aleppo schwächen. Im Pentagon war man deshalb gar nicht erfreut, dass US-Außenminister John Kerry mit Moskau gemeinsame amerikanisch-russische Angriffe auf al-Nusra vereinbart hatte.

Mittlerweile scheint die Kooperation Washingtons mit Moskau in Syrien und die von beiden ausgehandelte Waffenruhe ohnehin Makulatur. Das Regime und Russland haben die Endschlacht um Aleppo gestartet.

FAKTEN

Im Juli 2016 gelang es dem Regime, den letzten Versorgungsweg in den oppositionellen Osten Aleppos zu kappen. Die Rebellen durchbrachen zwar den Belagerungsring. Mittlerweile ist Ostaleppo aber wieder eingeschlossen.

Am 19. Septembererklärte das Regime eine von Russland und den USA ausverhandelte Waffenruhe für beendet – angeblich als Reaktion darauf, dass die USA syrische Truppen bombardierten, die sie für
IS-Kämpfer hielten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2016)

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