Verfassungsrichter Schnizer bedauerte per Brief und persönlich vor seinen Kollegen, dass er das Gericht in eine öffentliche Debatte hineinzog. Die FPÖ will aber bis Mittwoch eine Unterlassungserklärung.
Wien. „Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Gerhart! Bei der nächsten Beratung des Verfassungsgerichtshofes, an der ich teilnehme, würde ich bitten, mir die Gelegenheit zu geben, mich bei Dir, sehr geehrter Herr Präsident, und auch allen anderen Mitgliedern des Gerichtshofes, zu entschuldigen.“
Mit diesen Worten beginnt der Brief, den Verfassungsrichter Johannes Schnizer am Sonntag elektronisch an Gerhart Holzinger, den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), schickte. Am Montagvormittag war es soweit: Schnizer entschuldigte sich persönlich vor dem Richterkollegium.
Es ist der vorläufige Schlusspunkt nach einer Woche, in der am VfGH Unruhe herrschte. Mehrere Richter hatten ihren Unmut über Schnizer bekundet, sogar Rücktrittsforderungen standen im Raum. Schnizer hatte sich medial zum Erkenntnis des Gerichts zur Bundespräsidentenwahl geäußert, obwohl das üblicherweise dem Präsidenten obliegt. Holzinger will aber erst nach der Hofburgwahl wieder über die Wahlaufhebung sprechen.
Als noch viel größeres Problem wurde am VfGH freilich ausgemacht, dass Schnizer in Interviews der FPÖ vorwarf, dass sie die Wahlanfechtung schon vor dem Urnengang vorbereitet habe. Zudem hatte Schnizer, früher Kabinettchef von SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, öffentlich erklärt, bei der Hofburgwahl Alexander Van der Bellen zu wählen. Auch das wurde kritisch beäugt, zumal der VfGH trotz der politischen Besetzungen der Richterposten immer bemüht ist, ein politisch neutrales Bild abzugeben.
In dem der „Presse“ vorliegenden Brief an Holzinger erklärt Schnizer, dass er es gut gemeint habe. „Ich habe in meinen öffentlichen Äußerungen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Aufhebung der Bundespräsidentenwahl in bester Absicht gegenüber den Kritikern verteidigt. Dass ich das öffentlich gemacht habe, hatte den Grund, dass die Kritik ebenfalls unüblich breit – und nach meinem Eindruck einseitig – in der Öffentlichkeit geführt wurde“, betont er. Gleichzeitig bedauert Schnizer, dass er sich darüber hinaus zu Äußerungen „hinreißen ließ“ und entschuldigt sich für den „großen Fehler“ und dass er den Gerichtshof dadurch „einer öffentlichen Diskussion ausgesetzt habe“.
Seine Vorwürfe gegenüber der FPÖ nimmt Schnizer bisher aber nicht zurück. Die FPÖ hatte Schnizer aufgefordert, bis gestern, zwölf Uhr, eine Unterlassungserklärung abzugeben und die Vorwürfe zurückzunehmen. Laut Schnizers Anwalt, Michael Pilz, ist diese Aufforderung, wiewohl am Freitag per E-Mail abgeschickt, zunächst nicht angekommen, sondern erst gestern, Montag, per Post. Pilz hat daher um Verlängerung der Frist bis Mittwochmittag ersucht, was Rechtsanwalt Michael Rami für die FPÖ auch akzeptiert hat.
Privatanklage gegen Schnizer?
Rami hält Schnizers Aussagen für ehrenbeleidigend und kreditschädigend; er hofft, dass Schnizer unterschreibt; der FPÖ sei an einer weiteren Eskalation nicht gelegen. Weigert sich Schnizer jedoch, die Unterlassungserklärung abzugeben, hätte die FPÖ über die weiteren rechtlichen Schritte zu entscheiden, von der Unterlassungsklage bis zur Privatanklage wegen Ehrenbeleidigung durch den Kandidaten Norbert Hofer oder Parteiobmann Heinz-Christian Strache, der die Wahl angefochten hatte.
Schnizers Brief im Wortlaut
Sehr geehrter Herr Präsident,
lieber Gerhart!
Bei der nächsten Beratung des Verfassungsgerichtshofes, an der ich teilnehme, würde ich bitten, mir die Gelegenheit zu geben, mich bei Dir, sehr geehrter Herr Präsident, und auch allen anderen Mitgliedern des Gerichtshofes zu entschuldigen.
Ich habe in meinen öffentlichen Äußerungen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Aufhebung der Bundespräsidentenwahl in bester Absicht gegenüber den Kritikern verteidigt. Dass ich das öffentlich gemacht habe, hatte den Grund, dass die Kritik ebenfalls unüblich breit - und nach meinem Eindruck einseitig - in der Öffentlichkeit geführt wurde. Dabei habe ich mich über dieses Anliegen hinaus zu Äußerungen hinreißen lassen, die ich jetzt als großen Fehler betrachte.
Ich bedauere, wenn ich dadurch Dich und die anderen Mitglieder des Gerichtshofes einer öffentlichen Diskussion ausgesetzt habe.
Mit besten Grüßen
Dein Johannes