Ob degressive Abschreibung oder Zuwachsprämie: Ein staatlicher Anreiz für investierende Unternehmen wird kommen. Die Erfahrungen damit sind durchaus gemischt.
Wien. Im Frühling herrschte Aufbruchsstimmung: Einen New Deal für die Wirtschaft versprach der frisch gekürte Kanzler Kern, die ÖVP eine Standortoffensive. Nun ist der Herbst da, die Zeit der Ernte. In Sachen Gewerbeordnung dürfte sie karg ausfallen, die flexibleren Arbeitszeiten drehen sich in der kollektivvertraglichen Endlosschleife. Aber eines wird kommen: ein Anreiz für private Investitionen. Denn hier sind sich SPÖ und ÖVP im Prinzip einig. Kern selbst schlug im Juli eine degressive Abschreibung vor, befristet bis Ende 2017. „Dringend nötig“ nannte Wirtschaftsminister Mitterlehner derartige Anreize am Montag.
Geprüft werde nur noch das richtige Modell. Die Alternative ist eine Zuwachsprämie, wie sie das Land Salzburg 2015 aufgelegt hat: Für Investitionen, die deutlich über dem Schnitt der vergangenen drei Jahre liegen, gab es dort ein Geschenk vom Fiskus. Ein echter Hit: Schon nach vier Monaten waren die Mittel erschöpft. Eine Prämie ist attraktiver als eine frühere Abschreibung, bei der das Unternehmen am Anfang der Nutzungsdauer weniger Steuer zahlt, später aber mehr. Es bekommt also nur einen Kredit oder eine Stundung. Auf Dauer gewonnen sind nur Zinsen.
Dennoch plädiert Claudia Huber von der Wirtschaftskammer national für das Abschreibungsmodell – als „billige, realistische und rasch umsetzbare Lösung“. Denn die Zusatzprämie würde jene Firmen auch noch belohnen, die lange zu wenig investiert haben. Zudem sind die jüngeren Erfahrungen mit der vorzeitigen Abschreibung besser. Als kurze konjunkturfördernde Maßnahme in der Krise, 2009 bis 2010, trieb sie zumindest in der Industrie die Investitionen in Relation zum BIP in die Höhe, während sie in EU-Vergleichsländern zurückgingen. Anders die Zusatzprämie von 2002 bis 2004, die außer bei unternehmensnahen Dienstleistungen offenbar gar nichts brachte (oder sogar kontraproduktiv wirkte). Das rechnet eine aktuelle Wifo-Studie nach.
Nostalgie und Skepsis
Dies waren freilich die einzigen Anreize der vergangenen eineinhalb Dekaden. Davor zeigte sich der Gesetzgeber weit großzügiger. Die Älteren erinnern sich: Vorzeitige Abschreibung und Investitionsfreibetrag waren bis zur Jahrtausendwende gang und gäbe. Aber um die Senkung der Körperschaftssteuer auf 25 Prozent zu finanzieren, wurden beide zu Grabe getragen. In vielen EU-Staaten gibt es die Option auf den degressiven Satz bis heute, wie in der Schweiz, den skandinavischen Ländern und Großbritannien. Vor allem dem Freibetrag – auch er eine echte Ermäßigung wie die Prämie – trauert die Wirtschaft nach. Huber räumt ein: Er wäre teuer, aber „machbar“, wenn man ihn „gezielt einsetzt“, etwa für besonders zukunftsträchtige Investitionen.
Denn bei all diesen Anreizen gibt es große Mitnahmeeffekte: Der Staat vergünstigt Investitionen, die Unternehmen ohnehin tätigen. Wichtig ist das Timing: Erfolgt die Einführung nicht rasch genug, zögern Firmen ihre Investitionsentscheidung länger hinaus. Der größte Effekt tritt erst ein, wenn man die Vergünstigung wieder abschafft – weil dann die Unternehmen viele geplante Investitionen vorziehen.
IHS-Experte Helmut Hofer zeigt sich eher skeptisch: „Die Idee ist ja, die Finanzierungskosten zu senken“ – und die seien durch die historisch niedrigen Zinsen ohnehin schon sehr günstig. Außerdem „ist in den Firmen zurzeit viel Liquidität“. Sprich: Wer jetzt nicht investiert, den können auch steuerliche Anreize nicht dazu bewegen. Statt für Aktionismus plädiert Hofer für „bessere Planbarkeit“ durch „stabile Regeln“. Auch im Sinne von Brüssel und OECD, die einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlagen fordern. Eine transparente Basis könnte sogar für mehr Wettbewerb bei der Körperschaftssteuer sorgen. Die Wifo-Studie zeigt: Die Steuerlast für Unternehmen ist in Österreich seit 2010 per Saldo gleich hoch geblieben; in Deutschland, Skandinavien und Großbritannien sank sie. Ein niedrigerer Steuersatz würde für den Fiskus freilich weit mehr ins Geld gehen als jeder zaghafte Anreiz – und wäre nur durch echte Einsparungen nachhaltig zu finanzieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2016)