Verfahren gegen TV-Satiriker Böhmermann eingestellt

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Der türkische Präsident Erdogan hatte Böhmermann wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts angezeigt, doch "strafbare Handlungen waren nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen".

Die Staatsanwaltschaft in Mainz hat ihre Ermittlungen gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan eingestellt. Wie die Behörde am Dienstag mitteilte, "waren strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen".

Böhmermann hatte Erdogan Ende März in einem "Schmähgedicht", das er in seiner Fernsehsendung "Neo Magazin Royale" vorlas, angegriffen. Unter anderem ging es um Sex mit Tieren. Böhmermann hatte dabei selbst mehrfach gesagt, das sei keine Satire, sondern Schmähkritik und damit in Deutschland verboten. Das ZDF distanzierte sich von dem Auftritt und löschte den Beitrag aus dem Archiv.

Erdogan erstattete daraufhin Anzeige wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts. Die Anzeige war nur deshalb zulässig, weil die deutsche Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt hatte - eine hoch umstrittene Entscheidung.

Umstrittener Paragraf

Bis drei oder gar fünf Jahre Haft
Grundlage für die Anzeige ist Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs (StGB). Wer einen ausländischen Staatschef beleidigt, muss demnach in Deutschland mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen. Ist Verleumdung im Spiel, drohen sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte angekündigt an, dass der Paragraf abgeschafft werden soll. Noch in dieser Wahlperiode soll ein entsprechender Gesetzentwurf verabschiedet werden, der 2018 in Kraft treten solle.

Keine "ernsthafte Herabwürdigung der Person"

Die Staatsanwaltschaft Mainz begründete die Einstellung der Ermittlungen nun unter anderem auch damit, dass Böhmermanns Schmähgedicht "als Beispiel für eine Überschreitung der Meinungsfreiheit dienen sollte". Zudem sei eine Karikatur oder Satire keine Beleidigung, wenn "die Überzeichnung menschlicher Schwächen" keine "ernsthafte Herabwürdigung der Person" enthalte.

Weitere Verfahren noch offen

Neben dem Verfahren in Mainz läuft noch ein Presseverfahren in Hamburg. Das Landgericht Hamburg hatte Böhmermann bereits im Mai verboten, große Teile des Gedichtes zu wiederholen. Erdogans Anwalt will das Werk komplett verbieten lassen. Zudem hat Erdogan persönlichen Strafantrag wegen Beleidigung gegen den ZDF-Satiriker gestellt.

Belastete Verhältnis zwischen Deutschland und Türkei

Die Affäre hat die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei belastet. Der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde vorgeworfen, sich mit Kritik an Erdogan in dem Fall zurückzuhalten, weil sie die Türkei für die Eindämmung der Flüchtlingskrise braucht. Erdogan wiederum beklagte mangelnde Solidarität des Westens.

In der Türkei selbst drohen bei einer Beleidigung des Präsidenten bis zu vier Jahre Haft. Vor dem Amtsantritt Erdogans 2014 wurde das entsprechende Gesetz kaum angewandt. Seitdem gibt es jedoch etliche Verfahren, etwa gegen Karikaturisten, Journalisten und auch Jugendliche.

(APA)

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