Länder-Bund-Treffen: Friedenspfeife und „Obszönitäten“

LANDESHAUPTLEUTEKONFERENZ: PRESSEKONFERENZ: PLATTER / KERN / SCH�TZENH�FER / MITTERLEHNER / NIESSL
LANDESHAUPTLEUTEKONFERENZ: PRESSEKONFERENZ: PLATTER / KERN / SCH�TZENH�FER / MITTERLEHNER / NIESSL(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Neue Arbeitsgruppe rückt zur Durchforstung des Kompetenzdschungels aus. Gleichzeitig häufen sich ungelöste Probleme, von den Flüchtlingsjobs bis zum Geldverteilen.

Graz/Wien. Sonst sind es meist die Landeshauptleute, die nach Wien pilgern müssen. Diesmal kam erstmals nach langer Zeit die Regierungsspitze zu den versammelten schwarz-roten Länderchefs nach Graz. Die Gäste aus Wien waren wie der Gastgeber, der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), um ein Signal des konstruktiven, friedlichen Miteinanders mit Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bemüht.

Wenn es um Geld und Kompetenzen geht, dominieren sonst Machtinteressen und raue Töne. „Es bringt nichts, sich gegenseitig zu beschimpfen“, so Schützenhöfer. Daher wird laut gemeinsamer Erklärung eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, um neue Regeln für gemischte Aufgabengebiete zu finden. Der weitgehend ergebnislose Österreich-Konvent zur Staatsreform erlebt so nach mehr als einem Jahrzehnt eine Fortsetzung, wobei mit kleineren Schritten Lösungen für Kompetenzkonflikte gefunden werden sollen.

Damit wird eine Idee Schützenhöfers aufgegriffen. Je vier Vertreter werden von Bund und Ländern bis spätestens Jahresende in die Arbeitsgruppe entsandt, diese muss erste Ergebnisse im ersten Quartal 2017 liefern. Ein Ziel eint Landeshauptleute wie Regierungsspitze in Zeiten von fast 400.000 Arbeitslosen: Es soll einen neuen Impuls für Arbeit und Beschäftigung und für den Wirtschaftsstandort Österreich geben. Vorrangiges Ziel ist, länderweise unterschiedliches Wirtschaftsrecht zu vereinheitlichen. Während aber am Dienstag in Graz quasi die Friedenspfeife geraucht wurde, weht gleichzeitig dort, wo es um Geld, Einfluss und Reformen geht, weiter ein viel rauerer Wind.

Besonders hart geht es nach wie vor zu, wenn es um die Integration von Flüchtlingen, die Kosten für den Sozialstaat und die Aufteilung der Lasten auf Bund und Länder geht. In Wien fand dieser Konflikt nach dem Ministerrat, der wegen der Graz-Reise auf 8 Uhr vorverlegt worden war, eine Fortsetzung. SPÖ-Regierungskoordinator Thomas Drozda wischte den Vorschlag von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), Asylwerber sollten für gemeinnützige Tätigkeiten 2,50 Euro pro Stunde erhalten, als „obszön“ vom Regierungstisch: „Wir geben den Menschen damit das Gefühl, dass ihre Arbeit nur so wenig wert ist“, sagte er. Sobotka hatte zuvor fünf Euro pro Stunde, wie von den Flüchtlingsreferenten der Länder gefordert, als „pervers“ bezeichnet, weil Asylwerber pro Monat dann mehr erhielten als Asylberechtigte mit Mindestsicherung.

Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) mahnte ein, eine „möglichst sachliche Debatte“ zu führen. Dann – da sei er sich sicher – würde es zu einer „vernünftigen, tragbaren, menschenwürdigen Lösung“ kommen. Prinzipiell seien 2,50 Euro für eine Stunde Arbeit zu wenig. „Aber hier haben wir eine spezielle Sondersituation.“ Denn der Arbeitsmarkt ist für Asylwerber, die auf das Ende ihres Asylverfahrens warten, nicht geöffnet. „Es geht darum, dass sie nicht einfach nur herumsitzen sollen“, sagte er.

Gräben bei Wirtschaftspolitik

Nicht nur bei Kosten und Jobs für Flüchtlinge geht ein Riss durch die Republik. Bei der Mindestsicherung ist die Bundesregierung seit Jänner uneinig, ebenso die ÖVP-dominierten Länder und das rot-grün regierte Wien, das 180.000 aller 254.000 Bezieher beherbergt.

Wie bei der Mindestsicherung läuft Bund und Ländern beim für 2017 angestrebten neuen Finanzausgleich, der Geldaufteilung zwischen den Gebietskörperschaften, die Zeit davon. Es kommen sogar neue Probleme hinzu, etwa die steigenden Kosten für Spitalsärzte (siehe unten stehenden Bericht).

So einig sich Bund und Länder bei der Wirtschaftsbelebung sind – bei Maßnahmen, die umgesetzt werden sollten, gibt es die nächsten Gräben. In der Koalition etwa bei der Möglichkeit des Zwölf-Stunden-Arbeitstages, aber auch bei der Frage, woher das Geld für zusätzliche Investitionen kommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2016)

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