Im Zweifel für Jan Böhmermann

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Jan B�hmermann(c) APA/dpa/Henning Kaiser
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Die Ermittlungen gegen den TV-Moderator wurden eingestellt, da ihm eine Straftat „nicht mit der erforderlichen Sicherheit“ nachgewiesen werden konnte.

Hat Jan Böhmermann den türkischen Staatspräsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, in seinem Schmähgedicht beleidigt? Oder geht der Text juristisch gerade noch als künstlerische Freiheit durch? Die Staatsanwaltschaft Mainz entschied sich im Zweifel für Jan Böhmermann. Strafbare Handlungen seien „nicht mit der erforderlichen Sicherheit“ nachzuweisen gewesen, teilte die Behörde am Dienstag mit. Das Ermittlungsverfahren gegen den Satiriker und TV-Moderator wurde deshalb eingestellt.

Begründet wurde dieses Urteil unter anderem auch damit, dass Böhmermanns Text „als Beispiel für eine Überschreitung der Meinungsfreiheit dienen sollte“. Zudem sei eine Karikatur oder Satire keine Beleidigung, wenn „die Überzeichnung menschlicher Schwächen keine ernsthafte Herabwürdigung der Person“ enthalte.

Böhmermann hatte Erdoğan Ende März in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ auf eine Weise angegriffen, die auch von der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, verurteilt wurde. Er habe damit den Unterschied zwischen Satire, die in Deutschland erlaubt ist, und verbotener Schmähkritik aufzeigen wollen, rechtfertigte sich der Moderator. In seinem Gedicht ließ er kaum ein Klischee über Türken aus. Es handelt unter anderem von Sex mit Tieren und Kinderpornografie.

Erdoğan erstattete daraufhin Anzeige wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts – mit Merkels Unterstützung. Denn die Bundesregierung musste die Staatsanwaltschaft erst zur Strafverfolgung ermächtigen. Mit den deutsch-türkischen Beziehungen stand es damals (wie heute) nicht zum Besten. Also gab Merkel Erdoğans Begehr nach – gegen den Willen der SPD. Nicht nur innerhalb der Koalition ist diese Entscheidung bis heute umstritten.

Gedicht von der Kunstfreiheit geschützt

Böhmermann löste auch eine Debatte über die Sinnhaftigkeit des Paragrafen 103 aus, der die Beleidigung von ausländischen Staatsvertretern unter Strafe stellt. Nach deutschem Recht ist die Ehre ausländischer Staatsoberhäupter, Regierungschefs und diplomatischer Vertreter geschützt. Wer sie beleidigt, kommt im besten Fall mit einer Geldstrafe davon. Im schlechteren Fall droht eine Haftstrafe bis zu drei Jahren. Bei einer Verleumdung können es sogar fünf Jahre werden.

Die Staatsanwaltschaft ordnete das Gedicht nun als von der Kunstfreiheit geschützt ein. „Dass mit einem Kunstwerk eine bestimmte Meinung zum Ausdruck gebracht wird, nimmt ihm nicht die Eigenschaft als Kunstwerk“, heißt es in der Stellungnahme der Leitenden Oberstaatsanwältin, Andrea Keller. „Der in der Rede stehende Beitrag dürfte als satirische Darbietung diesen Anforderungen genügen.“ Die Ermittlungen hätten auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für strafbare Handlungen anderer Personen ergeben, die an der Entstehung oder Ausstrahlung des TV-Beitrags beteiligt waren.

Damit sind jedoch nicht alle juristischen Auseinandersetzungen um das Gedicht beendet: Am 2. November soll eine Privatklage Erdoğans in Hamburg vor Gericht kommen. Die Richter haben inzwischen eine einstweilige Verfügung erlassen. Demnach darf ein Großteil des Gedichts nicht mehr verbreitet werden. Der Anwalt des türkischen Präsidenten, Michael-Hubertus von Sprenger, will ein Komplettverbot erwirken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2016)

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