US-Wahl 2016: Pence positioniert sich für 2020

Tim Kaine (links) und Mike Pence brachten sich in Stellung.
Tim Kaine (links) und Mike Pence brachten sich in Stellung.REUTERS
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Das Rededuell der beiden Vizekandidaten Tim Kaine und Mike Pence war zermürbend: Kaine verbiss sich in Donald Trump, von dem sich Pence in wesentlichen Punkten distanzierte - und sich selbst als Kandidat für 2020 in Position brachte.

Vizekandidaten von Anwärtern auf die US-Präsidentschaft haben eine entscheidende Aufgabe: die jeweilige Parteibasis bei der Stange zu halten und zum Wahlkämpfen zu motivieren. Noch nie hat eine Debatte zwischen den beiden Wahlkampfgefährten entschieden, wer ins Weiße Haus einzieht. Und das wird auch nach dem einzigen Aufeinandertreffen von Tim Kaine, dem Vizekandidaten von Hillary Clinton, und Mike Pence, jenem Donald Trumps, so bleiben.

In der Nacht auf Mittwoch lieferten sich Kaine, der Senator aus Virginia, und Pence, der Gouverneur von Indiana, ein von zahlreichen gegenseitigen Unterbrechungen und ungebremstem Drüberreden zerrüttetes Rededuell, das man nur schwer als Debatte beschreiben konnte. Nach dem Schnellurteil vieler medialer Beobachter gab Pence eine bessere Figur ab; er blieb zumeist ruhig und sprach langsam, während Kaine stakkatoartig auf ihn einredete und ständig unterbrach.

Nicht schön anzusehen, aber zweckerfüllend

Doch bei dieser Lesart fällt der eigentlich Zweck solcher Vizekandidatenduelle unter den Tisch. Am 8. November wählen die Amerikaner nicht Kaine oder Pence, sondern Clinton oder Trump. Und darum setzte Kaine alles daran, Pence mit hetzerischen oder nachweislich falschen Aussagen Trumps in jene Ecke zu treiben, wo er entweder Trumps selbstschädigende Meldungen verteidigt oder sich von ihnen distanziert.

Das war nicht schön anzusehen, aber es erfüllte - zumindest aus Sicht Clintons - seinen Zweck. Kaine brachte Pence dazu, zahlreiche nachweisliche Aussagen von Trump vor laufender Kamera zu leugnen, angefangen bei der Behauptung, nur Vergewaltiger, Drogenhändler und sonstige Kriminelle kämen aus Mexiko in die USA, bis hin zum Lob für den Führungsstil von Russlands Präsident Wladimir Putin. Man darf erwarten, dass diese Verneinungen Trumpscher Positionen bald in angriffigen Fernsehwerbespots aus dem demokratischen Lager verwendet werden.

Putin ein "kleiner Diktator"

Auch Pence hatte Putins Führungsstil gelobt. Doch nun machte er eine verblüffende Kehrtwende, die ihn auch klar von der kremlfreundlichen Haltung Trumps distanziert. Putin sei ein "kleiner, mobbender Diktator", den russischen Provokationen müsse "amerikanische Stärke" entgegengesetzt werden. In diesem Zusammenhang erklärte Pence auch, das syrische Regime unter Präsident Bashar al-Assad müsse notfalls von den USA militärisch in die Schranken gewiesen werden. Das sind klassisch republikanische Haltungen in sicherheitspolitischen Fragen, die von Trumps Sicht der Welt Lichtjahre entfernt sind.

Pence, der vor seiner politischen Karriere jahrelang als Radiomoderator einer rechtsrechten Talkshow Debattenerfahrung gesammelt hatte, nahm es bei seinem Doppelspiel aus Verteidigung Trumps und Distanzierung von ihm mit der Wahrheit nicht immer ernst. "Wir sehen eine Volkswirtschaft, die von Steuern und Regulierung gelähmt ist", warnte er in seinem Urteil über die US-Konjunktur, die im Vorjahr die mittleren Familieneinkommen um den Rekordwert von 5,2 Prozent hatte steigen lassen.

Gleich viermal erwähnte er einen angeblichen "Krieg gegen Kohle" der Regierung von Präsident Barack Obama - ohne zu erwähnen, dass der Erfolg der Schiefergasindustrie wesentlich größeren Anteil am Niedergang des ohnehin seit Jahrzehnten schrumpfenden Kohlebergbaus hat als Umweltvorschriften. Doch in West Virginia, Kentucky und anderen Appalachenstaaten, wo der Kohlebergbau Rückgrat der lokalen Wirtschaft war, hat Trump den stärksten Zuspruch; Pence wandte sich also gezielt an diese Wähler.

Übereifriger Kaine traf Pences Schwachstellen

Kaine wirkte übereifrig und beizeiten neunmalklug - ein Fehler im Auftreten, der zur knappen Niederlage von Al Gore gegen George W. Bush vor 16 Jahren beigetragen haben dürfte. "Ich war am 11. September in Virginia, wo das Pentagon steht", war eine der verzichtbaren Aussagen Kaines, die oft den Eindruck erweckten, er wolle um jeden Preis das letzte Wort haben.

Doch der frühere Bürgermeister von Richmond und Gouverneur des wichtigen Staates Virginia, der bisher alle acht Wahlen seines Lebens gewonnen hat, wusste die wesentlichen Stiche gegen Pence und Trump zu führen: "Wer den Unterschied zwischen Führungskraft und Diktatur nicht kennt, sollte eine die erste Klasse Mittelschule zum Thema Sozialkunde wiederholen."

"Diese mexikanische Sache"

Mit Bezug auf Trumps Unflätigkeiten gegenüber einer früheren Miss Universe sagte er: "Donald Trump kann nicht einmal einen Kleinkrieg auf Twitter mit einer Miss Universe anfangen, ohne sich selber in den Fuss zu schießen." Und, vermutlich am pointiertesten, in Richtung Mike Pence: "Er bittet die Menschen, für jemanden zu stimmen, den er nicht verteidigt." Zudem brachte er Pence mit der wiederholten Erinnerung an Trumps antimexikanische Tiraden dazu, in herablassendem Ton etwas zu sagen, das ihn lange verfolgen wird: "Ach, jetzt fangen Sie schon wieder mit dieser mexikanischen Sache an." Solche Meldungen sind bei der verzweifelten Bemühung der Republikaner um mehr hispanische Wähler nicht hilfreich.

Kaine machte sich selbst mit seinem angriffigen Auftreten keinen guten Dienst, aber er erfasste den Auftritt seines Gegners. Pence präsentierte sich als Republikaner klassischen Zuschnitts - also als jemand, den man in vier Jahren nominieren kann, um die eventuelle Wiederwahl von Präsidentin Clinton zu verhindern. "Die Person, die ihr Leben heute Nacht am meisten hasst: Paul Ryan. Pence hat ihn in jeder Ecke der Partei ausgebootet", unkte Franklin Foer, der frühere Chefredakteur des linksliberalen Magazins "The New Republic", auf Twitter über den Vizekandidaten von 2012 und heutigen Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses.

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