Großbritannien: May sucht die politische Mitte

Britain´s Prime Minister Theresa May gestures after giving her speech on the final day of the annual Conservative Party Conference in Birmingham
Britain´s Prime Minister Theresa May gestures after giving her speech on the final day of the annual Conservative Party Conference in Birmingham(c) REUTERS (DARREN STAPLES)
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Premierministerin Theresa May will die Konservativen nach dem Brexit anders positionieren und schielt auf neue Wählerschichten.

London. Wahlen werden in der politischen Mitte gewonnen. Wo die Mitte liegt, ist eine Frage der Definition. In dem Kampf um die Deutungshoheit erhob die neue britische Premierministerin, Theresa May Mittwoch, zum Abschluss des Parteitags der Konservativen den Anspruch auf Vormachtstellung: „Wir brauchen einen neuen Zugang in der Politik, bei dem wir uns einer Mitte zuwenden, die auf den Werten der Fairness und Chancengleichheit aufgebaut ist.“ Sie wolle ein Land schaffen, das „nicht für eine privilegierte Minderheit da ist, sondern für alle“.

May bezeichnete die Entscheidung der Briten für den EU-Austritt als „stille Revolution“. Millionen Briten hätten mit ihrer Wahl zum Ausdruck gebracht, dass „sie nicht länger bereit sind, ignoriert zu werden“. Als Reaktion versprach sie: „Ich will ein Land, in dem es einzig und allein darauf ankommen soll, wie hart jemand zu arbeiten bereit ist.“

Zuwanderungsfrage im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt der politischen Überlegungen der Regierung steht dabei offensichtlich die Zuwanderungsfrage. Während sich Premierministerin May in wolkiger Wohlfühlrhetorik üben durfte, musste Innenministerin Amber Rudd die Scharfmacherin geben. Nach ihren Vorstellungen sollen britische Unternehmen in Zukunft vorwiegend auf dem heimischen Arbeitsmarkt rekrutieren. Wenn sie hier nicht fündig werden, sollen sie einen Nachweis ihrer Bemühungen bringen und ein Verzeichnis ihrer ausländischen Beschäftigten offenlegen müssen.

Während Wirtschaftsvertreter und Bürgerrechtler vor einer Politik der öffentlichen Diffamierung warnten, betonte Rudd, sie wolle nur „britische Betriebe dazu bringen, heimische Arbeitskräfte heranzuziehen“. Nach einem Aufschrei der Empörung wollte die Innenministerin gestern nur mehr von „einem Vorschlag unter vielen“ sprechen. Klar wurde auf dem Tory-Parteitag in dieser Woche aber, dass die Einwanderungs- und Ausländerfrage das entscheidende Thema bei den Brexit-Verhandlungen sein wird.

Die neue Regierung zeigte sich auch zu Eingriffen in die Wirtschaft bereit. Nachdem schon Hammond ein Abgehen von dem strikten Sparkurs der Vergangenheit in Aussicht gestellt hatte, betonte auch May, in diese Richtung gehen zu wollen: „Wir wollen denen helfen, die etwas zur Gesellschaft beitragen wollen.“

Die Positionierung in der politischen Mitte ist für die Konservativen umso leichter, als die oppositionelle Labour Party unter Jeremy Corbyn weit nach links abgeschwenkt ist. Auch von rechts haben die Konservativen nichts zu befürchten: Nach nur 18 Tagen legte Diane James gestern den Vorsitz der rechtspopulistische UKIP zurück. Ex-UKIP-Chef Nigel Farange erklärte daraufhin, dass er bereit sei, die Führung wieder zu übernehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2016)

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