Geben Sie uns bitte endlich die Antwort!

Offen oder frontal? Nein, wir reden hier nicht von Oberschenkelbrüchen oder Autounfällen. Obwohl...

Es war erst letzte Stunde, als eine Schülerin meiner siebenten Klasse völlig aufgebracht in die Knie ging (metaphorisch) und mich anflehte (wortwörtlich), ihr und den anderen in der Klasse doch bitte endlich die Antwort auf die bereits seit längerem diskutierte Frage zu geben (es ging um die Bedeutung der Schrift an der Wand für Helander, einem der Charaktere in Alfred Anderschs „Sansibar oder der letzte Grund“).

Dabei wollte ich in diesem Fall bis zum Schluss einem meiner pädagogischen Grundsätze aus der Unizeit treu bleiben: „Als Lehrer stehe ich nicht in der Klasse, um Antworten zu geben, sondern, um Fragen zu generieren.“ Schließlich bin ich dann doch wieder fremdgegangen. Wie so oft.

Schüler wollen nicht immer entdecken

Mir wurde nämlich erneut aufgezeigt, dass Schüler durchaus immer wieder mal gerne frontal beschossen werden; dass ihnen eben die eine oder andere Antwort einfach gegeben wird. Sie wollen nicht immer selbst drauf kommen müssen (wohlwissend, dass ihr selbstgebrautes Süppchen nicht immer der Weisheit letzter Schluss ist). Sie schätzen auch das Fachwissen und die Meinung eines Lehrers, der ihnen das Gefühl vermittelt, dass ihm seine Schüler wichtig sind. Für sie ist eben offener Unterricht und entdeckendes Lernen nicht immer so „gschmeidig“, wie sich die Pädagogen das oft so wünschen würden.

Und das überrascht eigentlich auch gar nicht: Auch die größten Denker, Künstler und Sportler der Geschichte hatten letztlich einen „Meister“ vor sich, der ihnen wohl nicht nur einmal gesagt und gezeigt hat, wie die Welt funktioniert und wie sie diese am besten nachhaltig beeinflussen könnten.

Dosierung und Umsetzung

Das soll jetzt natürlich nicht heißen, dass offener Unterricht und entdeckendes Lernen grundsätzlich schlecht sind. Das soll auch nicht heißen, dass Frontalunterricht grundsätzlich gut ist. Das soll bloß heißen – und hier werden Sie wahrscheinlich nicht überrascht sein – dass es letztlich darauf ankommt, wie der Lehrer diese Methoden dosiert und letztlich wie er sie im Unterricht zum Leben erweckt.

Sowohl offenes Lernen als auch Frontalunterricht dürfen nicht zu ideologischen Dogmen verkommen, sondern müssen auf die Bedürfnisse der Schüler abgestimmt und vor allem ansprechend umgesetzt werden. Wenn das nicht der Fall ist, mutieren sie zu einem Oberschenkelbruch beziehungsweise zu einem Autounfall.

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