Österreichs Allianz gegen „falsche“ Energiewende

Kohlehalde vor Bergwerk West in Kamp-Lintfort
Kohlehalde vor Bergwerk West in Kamp-Lintfortdpa/dpaweb
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Der Umweltminister forciert eine EU-weite CO2-Steuer, um Deutschlands „falsche“ Energiewende zu stoppen.

Wien. Erst Kurz, dann Doskozil, jetzt Andrä Rupprechter. Der heimische Umweltminister ist schon der dritte heimische Spitzenpolitiker, der seinem Unmut über die Politik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel lauthals Gehör verschafft. „Die deutsche Energiewende erschwert eine Energiewende in Österreich“, diktierte der ÖVP-Politiker dem Spiegel am Wochenende. Die Richtung, die die Kanzlerin eingeschlagen habe, sei „einfach falsch“. Und er, Rupprechter, sei auf der Suche nach einer Allianz, um diese verfehlte Energiepolitik zu stoppen.

Denn während die deutsche Regierung gerne über grünen Strom redet, passiere im Land das genaue Gegenteil. Im fünften Jahr nach dem Atomausstieg produziert Deutschland 42 Prozent seines Stroms aus billiger Braun- und Steinkohle. Zum Vergleich: Der Ökostromanteil liegt lediglich bei 30 Prozent, kritisiert Rupprechter. Und das, obwohl Berlin zig Milliarden an Steuergeldern in den massiven Ausbau von Windkraftanlagen im Norden des Landes gesteckt habe. Unangenehmer Nebeneffekt für die Nachbarstaaten: Weht im Norden der Wind, erzeugt Deutschland viel zu viel Strom, der dann über die Grenzen drückt und die Stromnetze der Nachbarstaaten unter Druck setzt. Zudem ist der Strom (sowohl aus Kohle als auch aus Wind) so billig, dass sich in diesen Ländern Investitionen in neue Kraftwerke nicht mehr rechnen.

Brexit öffnet Zeitfenster

Aus diesem Dilemma würde Rupprechter die EU gerne befreien. Seit Monaten tourt der österreichische Politiker mit seinem „Energiewende-Protokoll“ durch die Hauptstädte des Kontinents. Der 17 Seite starke Vertrag, der der „Presse“ vorliegt, ist als Gegenstück zum Euratomvertrag konzipiert und soll „die Wettbewerbsgleichheit der Erneuerbaren in den EU-Verträgen verankern“, heißt es im Ministerium. Das Protokoll soll dafür den europäischen Gründungsverträgen angefügt werden. Die Staaten wären dann verpflichtet, Forschung, Förderung und Investitionen in erneuerbare Energieträger zu forcieren. Und: Sie wären verpflichtet, eine Steuer auf die Emission von Kohlendioxid einzuheben. Kohlestrom aus Deutschland würde deutlich teurer und die Erneuerbaren hätten mehr Luft, um sich am Markt zu behaupten.

Schon vor einem Jahr ließ der Umweltminister in einem „Presse“-Interview mit der Forderung nach einer EU-weiten CO2-Steuer aufhorchen. Nun sind die Pläne offenbar spruchreif. Bis zur österreichischen EU-Ratspräsidentschaft 2018 will Rupprechter Gehaltvolleres vorlegen können.

Das Zeitfenster für eine derartige Änderung der EU-Verträge sei durch den anstehenden Brexit eben erst geöffnet worden, argumentiert sein Kabinett.

„Sehr ambitioniertes Ziel“

Ganz so einfach wird das allerdings nicht. Denn Energiepolitik ist immer noch nationale Angelegenheit. Alle Mitgliedsstaaten müssten einem derartigen Vertrag zustimmen. „Es ist ein sehr ambitioniertes Ziel“, räumt auch eine Rupprechter-Sprecherin ein. Bisher hat Österreich Luxemburg, die Niederlande, Kroatien, Griechenland, Italien und das deutsche Umweltministerium auf seiner Seite. Laut Spiegel sollen nun auch die Gespräche mit den Visegrad-Staaten intensiviert werden. Sie stellen sich aber vor allem gegen die Stromflut aus Deutschland, die ihre Netze bedroht. Ob sie auch von der CO2-Steuer überzeugt werden können, ist zumindest bei Warschau fraglich. Kein Land in Europa baut stärker auf Kohle als Polen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2016)

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