Für den Finanzminister bleiben nach seiner heutigen Budgetrede Fragezeichen. Die größte Probe wartet bei der Geldaufteilung mit Ländern und Gemeinden.
Wien. Es ist seine zweite Budgetrede im Nationalrat: Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wird heute, Mittwoch, dem Hohen Haus für 2017 einen 78-Milliarden-Voranschlag nun mit einem „strukturellen Nulldefizit“ – ohne Einmaleffekte – von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung vorlegen, weil Flüchtlingskosten nicht eingerechnet werden. Gröbere Auseinandersetzungen hat sich die Regierung im Herbst erspart, dies auch deswegen, weil die Leitlinien für den Finanzpfad – außer bei der Abweichung der Flüchtlingskosten – bis 2020 schon im Frühjahr beschlossen worden sind. Für den Finanzminister ist mit der Vorlage des Budgets für das kommende Jahr das Ringen um die Staatsfinanzen allerdings keineswegs ausgestanden.
• Finanzausgleich: Voraussichtlich kommende Woche wartet schon der nächste große Brocken auf Schelling – die ab 2017 geplante Neuverteilung der Steuereinnahmen im Zuge des sogenannten Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Städten. Zwar besteht bei einem wichtigen Punkt, der Gesundheitsfinanzierung, grundsätzlich Einigkeit, dass „gespart“werden soll, indem die Ausgaben gedämpft werden und sie damit niedriger ausfallen, als nach den Steigerungsraten für die kommenden Jahre prognostiziert wird. Schelling greift damit auf eine Maßnahme zurück, die er schon vor seinem Amtsantritt als Finanzminister im September 2014 noch in seiner Funktion als Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger mitausgehandelt hat. Allerdings bleiben Risikofaktoren, weil die Länder durch die Vorschriften der Arbeitszeitregelung für Spitalsärzte Mehrbelastungen von in Summe 1,2 Milliarden Euro erwarten.
• 500-Millionen-Forderung: Die härteste Konfrontation droht jedoch, weil die Bundesländer einhellig die Forderung nach zusätzlich 500 Millionen Euro auf den Tisch gelegt haben, mit denen sie unter anderem finanzielle Belastungen durch Maßnahmen und Gesetze des Bundes abgegolten sehen wollen. Schelling hat derartige Millionenwünsche zum Ärger von Ländervertretern jedoch bereits entschieden zurückgewiesen.
• Pflegekosten: Eng damit verknüpft ist die Diskussion um die steigenden Kosten für die Pflege. Die Länder haben bereits die Forderung deponiert, den Pflegefonds, in den der Bund vorerst bis 2018 aus dem Budget Geld im dreistelligen Millionenbereich überweist, zumindest bis 2020/21 zu verlängern. Eine Entscheidung darüber steht aus. Ein noch größeres Fragezeichen gibt es um die Frage, wie die Pflegekosten längerfristig finanziert werden sollen, weiter aus Budget- und damit mit Steuermitteln, über Sozialversicherungsbeiträge (was wegen höherer Lohnnebenkosten derzeit abgelehnt wird) oder, wie manche vorschlagen, durch eine Pflegeversicherung. Diese Finanzierungsfrage wird jedoch erst mittelfristig geklärt werden.
• Personal: Die Bundesregierung hat sich nicht nur auf zusätzliche Mittel für die Integration der Asylwerber in Österreich geeinigt, mit dem Mehrausgaben für die Grundversorgung der Flüchtlinge, erhöhte Ausgaben für Lehrer in den Schulen, für Deutschkurse sowie für den Ausbau der Integration von Asylsuchenden in den Arbeitsmarkt bezahlt werden. Außerdem haben SPÖ und ÖVP bereits eine Aufstockung der Budgets für Sicherheit und Verteidigung sowie für mehr Polizisten für die kommenden Jahre in die Wege geleitet. Allerdings gibt es darüber hinaus in weiteren Sektoren des öffentlichen Dienstes Forderungen nach einer Aufstockung des Personal, von der Justizwache in den Haftanstalten bis zur Finanzverwaltung.
• Bildung: Die Lücke im Bildungsbudget wurde zwar, wie berichtet, für das laufenden Jahr 2016 mit 525 Millionen Euro gefüllt. Für das kommende Jahr gibt es aber keine endgültige Einigung, es klafft noch ein Millionenloch im Acht-Milliarden-Unterrichtsbudget. Dafür sollen auch die Ergebnisse des rot-schwarzen Schulreformpakets am kommenden Dienstag abgewartet werden.
• Verwaltung: Die Bundesregierung hat sich für Oktober auch Maßnahmen zur Entbürokratisierung zum Ziel gesetzt. Dazu wird es Gespräche mit Bundesländern und Gemeinden geben. Offen ist allerdings, ob und in welcher Höhe es dadurch kurzfristig zu Einsparungen in der Verwaltung kommt.
• EU-Budgetziel: Ohne das jetzige Herausrechnen der Flüchtlingskosten und für die Sicherheit würde Österreich die EU-Vorgabe eines „strukturellen Nulldefizits“ im Budget 2017 verfehlen; es läge bei 0,9 Prozent. Im Finanzministerium wird jedoch erwartet, dass die EU-Kommission das akzeptiert, weil von der Kommission zugesagt worden sei, dass Mehrkosten wegen der Flüchtlingskrise nicht eingerechnet werden müssten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2016)