Die Österreicher sparen immer mehr

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230 Mrd. Euro haben die Österreicher auf der hohen Kante. Am Sparbuch halten sie eisern fest. Wertpapiere sind für viele zu gefährlich. Jeder Fünfte weiß nicht, was eine Aktie überhaupt ist.

Wien. Der Sparefroh feiert 60. Geburtstag. Das Maskottchen von Erste Bank und Sparkassen gehört sozusagen zum Inventar der Zweiten Republik. 1956 war er angetreten, um in der schwierigen Nachkriegszeit zu vermitteln, dass „das Sparen eine vergnügliche Sache ist“, heißt es in der Chronik der Bank. Er sollte eine „völlig neue Spargesinnung einleiten“.

Es ist ihm gelungen. Und wie es ihm gelungen ist. Sechs Jahrzehnte nach der Geburt des Sparefroh halten die Österreicherinnen und Österreicher am guten alten Sparbuch fest, als hinge ihr Leben davon ab. Allein: In Zeiten von Nullzinsen und lockerer Geldpolitik hat das wenig Sinn. Zumindest auf den ersten Blick. Denn das Geld vermehrt sich dort nicht, es vegetiert vor sich hin und leidet unter nonexistenten Sparzinsen. Dennoch machen die Österreicher unbeirrt weiter: „Wir sind ein Land der Sparer“, sagt Erste-Privatkunden-Vorstand Thomas Schaufler bei der Präsentation einer aktuellen Studie zum Thema.

Im Schnitt legt jeder Österreicher 216 Euro pro Monat zurück. Anders als von vielen Ökonomen erwartet, hat die Sparfreude in Zeiten der Nullzinsen zugenommen. Vor zehn Jahren legten die Österreicher im Schnitt nur 132 Euro auf die hohe Kante. Was die vielen Ökonomen nicht bedacht haben: Wer sparen will, muss bei niedrigen Zinsen eben mehr abzwacken – und nicht weniger.

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„Bekommen da wie dort nichts“

Insgesamt haben die Österreicherinnen und Österreicher so die ziemlich große Summe von 230 Mrd. Euro beiseitegelegt. Und dabei angesichts der nonexistenten Zinsen einiges in Kauf genommen. „Die Österreicher verlieren seit 2010 pro Jahr rund 2,5 Mrd. Euro an Kaufkraft, weil die Inflation höher ist als die Sparzinsen, die sie bekommen“, sagt Schaufler. Interessant: Die Kunden der Ersten lassen das Geld inzwischen verstärkt auf dem Konto liegen und schieben es gar nicht mehr auf das Sparbuch: „Sie bekommen ja da wie dort nichts. Das ist schade. Die Kunden haben das noch nicht ganz verstanden.“ Soll heißen: Der Sparefroh würde wohl Aktienfroh oder Anleihenfroh heißen – wenn man ihn 2016 erfinden würde.

Denn genau dorthin sollen die Kunden ihr Geld schlichten, wenn es nach der Bank geht: „Wir hatten immer die Frage zum Thema, wie wir die Inflation schlagen sollen. Aber so dramatisch wie heute war es noch nie“, sagt Schaufler.

Das Problem: Auch an den Märkten kann man derzeit nicht besonders viel holen. Erst recht dann nicht, wenn man so risikoscheu ist. „Der Österreicher ist klassisch konservativ. Aber derzeit können Sie mit einer risikolosen Veranlagung keinen Ertrag erzielen.“ Im Gegenteil: Wer sein Geld in deutsche Staatsanleihen steckt, verliert bewusst Vermögen.

43 Prozent kennen ATX nicht

Aber die größte Herausforderung ist die Informationslage. Es ist nämlich so: Fast alle Österreicher kennen den Sparefroh. Aber 55 Prozent geben an, Wertpapiere seien einfach zu schwierig zu verstehen. Ein Drittel der Österreicher weiß nicht, was eine Anleihe überhaupt ist. Jedem Fünften im Land geht es mit den Aktien genauso.

43 Prozent der von der Erste Bank Befragten wussten nicht, dass der ATX den Index der wichtigsten Aktien an der Wiener Börse darstellt. Nur 36 Prozent geben an, sich bei Finanzthemen und Geldanlage „wohlzufühlen“. Immerhin: Die Themen Mode und Autos sind bei den Österreicherinnen und Österreichern noch unbeliebter. Die wichtigste Statistik ist aber diese: Knapp 70 Prozent der Österreicher sagen, dass Sparen sehr wichtig für sie sei. 77 Prozent besitzen ein Sparbuch.

Gleichzeitig befürchten vier von fünf Österreichern, bei Aktieninvestments „große Verluste“ zu machen. Nicht ohne Grund, denn die vergangenen Finanzkrisen wirken nach: Nach dem Lehman-Schock und den dramatischen Folgen für die Aktienmärkte rund um die Welt haben viele Kleinanleger Geld verloren – auch in Österreich. Die Lust auf Aktieninvestments hat das nicht gefördert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2016)

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