Die Angst der SPÖ vor dem Ausländerthema

Egal, was die Sozialdemokraten machen – einen massiven Wählerzustrom dürfen sie sich nicht erwarten.

Dem SPÖ-Parteimanager reichte es. Angesichts andauernder FPÖ-Wahlerfolge bediente er sich freiheitlicher Ausländerrhetorik und erklärte: „Das Boot ist voll.“ Nein, nicht von Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter ist hier die Rede, sondern von seinem Vorvorgänger Peter Marizzi. Im Juni 1990 war es, als der versuchte, die FPÖ rechts zu überholen. Mit wenig Erfolg übrigens: Wenige Monate später legte die Haider-Partei bei der Nationalratswahl deutlich zu.

Das Problem der SPÖ mit der Ausländerpolitik der Freiheitlichen ist also nicht ganz neu. Seit mehr als 20 Jahren wildern diese im Wählerrevier der Sozialdemokraten und ernten vor allem bei der Arbeiterschaft großen Zuspruch. Und so ist es nicht wirklich etwas Neues, wenn Verteidigungsminister Norbert Darabos jetzt den Auftrag erhält, ein Integrationskonzept für die SPÖ zu erarbeiten. Daran sind schon etliche vor ihm gescheitert.

Bisher waren die einschlägigen Versuche der SPÖ aber eher von Hilflosigkeit gekennzeichnet. Das Repertoire reichte vom Negieren der Probleme bis zum Abkupfern freiheitlicher Politik: ein bisserl Ausländersekkieren – halt nicht ganz so grauslich, wie es die FPÖ will. Natürlich: Wer in der Regierung sitzt, steht vor der Aufgabe, sein Programm auch umsetzen zu müssen. Bei manchen FPÖ-Forderungen – keine Sozialleistungen für Nichtstaatsbürger etwa – ist das schon rein rechtlich unmöglich. Das haben nicht einmal die Freiheitlichen versucht, als sie selbst in der Regierung waren.

Der massive Zuzug in den vergangenen Jahrzehnten hat zu Problemen geführt, gar keine Frage. Parallelgesellschaften sind entstanden, viele Zuwanderer beherrschen die Sprache nur unzureichend. Die Öffnung der Ostgrenzen hat neben allen positiven Effekten auch importierte Kriminalität gebracht (nicht unbedingt ein Problem der Zuwanderung, aber das wird oft vermischt). Die größte Herausforderung besteht aber im Bereich der Jugend: Die zweite Generation der Zuwanderer hat nur geringe Aufstiegschancen. Untersuchungen zeigen, dass sie von der Schulbildung her sogar hinter ihren Eltern zurückbleibt. Die Bildung einer „No-future-Generation“ ist aber brandgefährlich. Das Entstehen von ethnischen Jugendbanden ist eine direkte Folge: Wer in der Gesellschaft keinen Platz hat, baut sich seine eigene Gegenwelt.

Die realen Probleme haben aber nicht viel zu tun mit dem, was an Antiausländerpolemik im Lande (und aus dem Eck der Rechtsparteien) zu hören ist. Nein, Ausländer und Kriminalität gehen nicht automatisch einher. Nein, die Ausländer beuten auch nicht unser Sozialsystem aus. Und sie nehmen uns auch nicht die Arbeitsplätze weg. Wenn Darabos jetzt ein Integrationskonzept für die SPÖ erarbeitet, wird er auf beides eine Antwort finden müssen: auf die realen Probleme und auf die weitverbreiteten Vorurteile.

Jedenfalls gibt es aus den vergangenen Jahren ein echtes Versäumnis der SPÖ: Echte Integrationspolitik hat – zumindest auf Bundesebene – bisher nicht stattgefunden. Nicht einmal zu einem Staatssekretär für Integration hat es bisher gereicht, obwohl dieser und den vergangenen Regierungen doch etliche eher wenig beschäftigte Staatssekretäre angehört haben.

Echte Integrationspolitik müsste an verschiedenen Punkten ansetzen. Das beginnt schon bei der Zuwanderung selbst, die immer noch ziemlich planlos abläuft. Vor der wichtigsten Aufgabe stehen die Schulen, die Zuwandererkinder gezielt fördern müssten, um ihnen echte Aufstiegschancen zu ermöglichen. Auch Frauen müsste man ganz bewusst aus ihrem Ghetto holen. Natürlich ist auch die Mitarbeit der Zuwanderer notwendig und muss eingefordert werden. Doch bisher beschränkte sich die Integrationspolitik auf die mit Sanktionen verbundene Aufforderung „Passt euch doch an“. Ein Weg, der nicht viel gebracht hat.


Die SPÖ wird sich nun entscheiden müssen, ob sie die Integrationsprobleme angeht oder beim populistischen Ausländerbashing mitmacht. Einen massiven Wählerzulauf darf man sich von beiden Strategien nicht erwarten. Die bei manchen Sozialdemokraten populäre Lösung, die FPÖ zu kopieren, bringt ganz sicher nichts, denn das Original ist immer besser und glaubwürdiger als die Kopie. Eine echte Integrationspolitik zu machen bringt zwar kurzfristig wenig, auf lange Sicht aber schon etwas. Dann nämlich, wenn Probleme tatsächlich gelöst werden. Ob die SPÖ den Mut hat, auf langfristige Konzepte zu setzen, ist aber fraglich.


martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2009)

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