Radikalität: Junge Muslime gefährdet

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Nur 42 Prozent jener Jugendlichen, die die Stadt niederschwellig betreut, können als gemäßigt bezeichnet werden. Mehr als ein Viertel zeigen Sympathien für den Jihad.

Wien. In Jugendzentren und Parks betreut die Stadt Wien niederschwellig jene Teenager, die für Sozialarbeiter sonst oft nur schwer erreichbar sind („offene Jugendarbeit“). Im Rahmen einer Studie der Stadt wurden nun Werte und Einstellungen dieser Gruppe ermittelt, die „eher aus einem schwächeren sozialen Milieu kommt“, wie bei der Präsentation der Daten erwähnt wurde. Eine Kernaussage: Die Mehrheit der jugendlichen Muslime ist gefährdet, sich zu radikalisieren. Nur 42 Prozent können als gemäßigt bezeichnet werden. Hier die Details.

Sympathie für Jihadismus

Mehr als ein Viertel der Befragten (27 Prozent der 14- bis 17-Jährigen) zeigen starke Sympathie für Jihadismus. Sie sind gewaltbejahend, polarisierend und dem Westen gegenüber feindlich eingestellt. Sie sind stark ideologisiert und werten Nichtmuslime stark ab. Ihre Einstellung entspricht jener von extrem religiösen Menschen, sie halten die Religion für wichtiger als die österreichischen Gesetze und haben eine positive Einstellung zu Menschen, die für ihre Religion in den Krieg ziehen.

Knapp ein Drittel (31 Prozent) der Jugendlichen weist eine mittlere Gefährdung auf, sich zu radikalisieren. Sie befürworten Gewalt, weisen aber widersprüchliche Einstellungen auf. Diese Jugendlichen artikulierten, dass ihre Religion anderen Religionen überlegen sei und religiöse Vorschriften wichtiger als Gesetze seien. Allerdings wird Töten im Namen Gottes abgelehnt, Religion habe auch nichts damit zu tun, ob man gut oder schlecht sei, ist die Einstellung dieser Gruppe. 42 Prozent der befragten Jugendlichen sind explizit gegen Gewalt, teilweise gibt es aber Bewunderung für strenge Religiosität.

Gesamt gesehen sind die befragten Jugendlichen weniger religiös als ihre Eltern. Allerdings zeigt sich, dass muslimische Jugendliche deutlich religiöser als nichtmuslimische sind. Starke Unterschiede gibt es auch bei der Abwertung von anderen Gruppen. So sind Rassismus, Homophobie, Antisemitismus und die Abwertung der Gleichstellung von Frau und Mann bei muslimischen Jugendlichen deutlich ausgeprägter als bei anderen Gruppen. Demnach weisen 63Prozent der muslimischen Jugendlichen laut Studie eine rassistische Einstellung auf. Bei katholischen Jugendlichen sind es 36 Prozent, bei christlich-orthodoxen (also hauptsächlich Serben) 48. Ähnlich ist die Situation beim Antisemitismus: 47 Prozent der befragten muslimischen Jugendlichen sind laut Studie dieser Kategorie zuzuordnen – bei den Katholiken (sieben Prozent) und christlich-orthodoxen Jugendlichen sind es deutlich weniger, die zum Antisemitismus neigen.

Loyalität ist „höchste Priorität“

Dazu kommt: 65 Prozent dieser Jugendlichen fühlen sich stark bis mittelstark als Österreicher. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 35 Prozent wenig bis keine Identifikation mit jenem Land besitzen, in dem sie leben – obwohl fast 70 Prozent der befragten Jugendlichen österreichische Staatsbürger sind. Die geringe Verbundenheit mit Österreich entsteht laut einem der Studienautoren, Kenan Güngör, aufgrund der Verbundenheit zu Eltern und Community. Loyalität zu beiden habe für die Jugendlichen höchste Priorität. Erst danach kommt der Freundeskreis.

Grundsätzlich nennt die Studie vier Faktoren, die im Zusammenhang mit Radikalismus stehen: Religiositätsgrad, homogene Freundeskreise, männlich, selbst zugewandert. Die Gruppe der Befragten in der offenen Jugendarbeit wies zu 85 Prozent Migrationshintergrund auf und war zu 70 Prozent männlich: 53Prozent muslimisch, 36 Prozent christlich, die restlichen elf Prozent ohne Bekenntnis.

Seitens der Stadt Wien wird erklärt, dass bereits während der Arbeit an der Studie das Wiener Netzwerk für Deradikalisierung und Prävention gegründet wurde. Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) will nun überlegen, wie man die Betroffenen noch besser erreichen kann. (stu)

ZUR STUDIE

401 Jugendliche befragten die Autoren Kenan Güngör und Caroline Nik Nafs von November 2014 bis Februar 2015 in rund 30 verschiedenen Jugendeinrichtungen der Stadt Wien zu ihren Einstellungen und Werten. Die Ergebnisse der Studie sind nicht repräsentativ für alle Wiener Jugendlichen, wie bei der Präsentation betont wurde. Denn es wurden nur 14- bis 17-Jährige befragt, die in der offenen Jugendarbeit der Stadt betreut werden. Davon wiesen 85 Prozent einen Migrationshintergrund aus mehr als 50 Herkunftsländern auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2016)

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