Montenegro: Dauerregent unter Druck

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MONTENEGRO-VOTE(c) APA/AFP/SAVO PRELEVIC
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Bei der Parlamentswahl gestern war eine Mehrheit für Langzeitpremier Djukanović unsicher. Der Nachwahlpoker dürfte entscheiden.

Belgrad/Podgorica. Bis zuletzt wurde in Montenegro über den Ausgang des härtesten Wahlkampfs seit dem Unabhängigkeitsreferendum 2006 gerätselt. Bei der gestrigen Parlamentswahl (erste Resultate lagen bei Druck dieser Ausgabe nicht vor) galt eine erneute Regierungsmehrheit für Dauerregent Milo Djukanović als unsicher. Vermutlich dürfte der Nachwahlpoker über die Zusammensetzung der künftigen Regierung und die Fortsetzung seiner erstaunlichen Karriere entscheiden: Schon seit 1989 zieht der 54-Jährige im Land der schwarzen Berge die Fäden.

Die Berliner Mauer stand noch, in der UdSSR predigte Michail Gorbatschow Glasnost und Perestroika, als der erst 27-jährige Richtersohn 1989 das Amt des Generalsekretärs des Bunds der Kommunisten im damals jugoslawischen Montenegro übernahm. Als verlängerter Arm des jugoslawischen Ex-Autokraten Slobodan Milošević wurde der wegen seiner scharfen Rhetorik Rasiermesser genannte Jungpolitiker 1991 erstmals zum Premier der kleinen Teilrepublik gewählt. Ob als Regierungs- oder Parteichef der von ihm 1991 gegründeten DPS, ob als Präsident oder Geschäftsmann, als Kriegsgegner oder Verbündeter des Westens: Wegen seines Machtinstinkts und taktischen Geschicks hält sich das ebenso geschäftstüchtige wie umstrittene Politfossil schon seit über einem Vierteljahrhundert in dem seit 2006 unabhängigen Montenegro fest im Sattel.

Unter seiner Ägide hat sich der 625.000-Einwohner-Staat und EU-Anwärter zwar den zweifelhaften Ruf als Dorado der Drogenmafia, Schmuggler und fragwürdiger Glücksritter erworben. Doch obwohl Italiens Justiz gegen Djukanović zeitweise wegen des staatlich organisierten Zigarettenschmuggels während der Jugoslawien-Kriege ermittelt hat, kann sich der Fuchs der steten Unterstützung des Westens erfreuen. Ob beim Bruch mit Milošević 1996, der Anerkennung des Kosovo 2008, ob bei der Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland oder der Entscheidung zur EU-Integration und dem geplanten Nato-Beitritt: Aus westlicher Sicht traf er die richtigen Entscheidungen.

Ein Liebkind des Westens

Heimische Kritiker und Opposition werfen ihm hingegen Machtmissbrauch, Korruption und Wahlmanipulation, die triste Wirtschaftslage und die explodierende Mafia-Gewalt vor: Seit Monaten wird der Kleinstaat von blutigen Kämpfen zweier Drogenclans erschüttert. Angesichts der Versuche Moskaus, seinen Einfluss auf dem Westbalkan zu vergrößern, konnte sich der Premier zuletzt dennoch wieder der Rückendeckung des Westens sicher sein.

Selbst wenn die zersplitterte Opposition eine Mehrheit gewinnen sollte, ist fraglich, ob sie eine Regierung bilden kann. Ob Djukanović seine fünfte Amtszeit antritt oder sich für den Machterhalt seiner DPS im taktischen Amtsverzicht übt, dürfte sich erst im „Nachwahlshopping“ bei potenziellen Partnern entscheiden. Er sei nicht mit der Politik verheiratet, hat er jüngst versichert – aber dennoch keine Amtsmüdigkeit erkennen lassen. (ros)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2016)

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