30 Jahre Grüne: Erinnerungen an Au und Oktoberfest

30 JAHRE GR�NE IM PARLAMENT: GLAWISCHNIG / KRETSCHMANN
30 JAHRE GR�NE IM PARLAMENT: GLAWISCHNIG / KRETSCHMANN(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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1986 zogen acht grüne Abgeordnete ins Parlament. Beim Festakt zum Jubiläum feierte man die eigenen Wurzeln und Erfolge. In die Zukunft blicken traute man sich noch nicht.

Wien. München im Jahre 1990, im Hofbräu-Zelt auf dem Oktoberfest: Eine junge Kellnerin – schwarzes Dirndl, goldenes Sackerl – hat ein Problem. Und nein, in diesem Moment ist es nicht die Tatsache, dass sie nur sieben Maß auf einmal tragen kann. Für eine Servicekraft ist das wenig. Sondern, dass sie dringend zwei halbwegs nüchterne Österreicher finden muss.

In dem Sackerl befindet sich eine Briefwahlkarte. Zwei Zeugen sind nötig, um sie ordnungsgemäß abzuschicken. Am Ende findet die Frau nur einen Österreicher, der sich dazu bereiterklärt (bzw. nüchtern genug ist). Sie schickt die Wahlkarte trotzdem ab, mit der Notiz: „Ich hoffe, dass sie gültig ist.“

Die Kellnerin von damals heißt Eva Glawischnig. Und es ist unschwer zu erraten, wem sie ihre Stimme gegeben hat: „Ich hatte das Glück, immer schon Grün wählen zu dürfen“, erinnert sie sich heute – und bedankt sich bei der Gründergeneration. Seit mittlerweile acht Jahren ist sie die Vorsitzende der Partei. Seit 30 Jahren ist die Bewegung im Nationalrat vertreten. Gestern, Montag, feierten sie ihr Jubiläum mit einem Festakt im Parlament.

Van der Bellen ist entschuldigt

Glawischnigs Vorgänger an der Spitze der Partei, Alexander Van der Bellen, ließ sich hingegen entschuldigen: „Wie Sie alle wissen, habe ich mich entschieden, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren“, wird seine Nachricht an diesem Vormittag vorgelesen. Er habe seine Grünen-Mitgliedschaft ruhend gestellt. Als potenzieller überparteilicher Bundespräsident wolle er keine Parteiveranstaltungen besuchen. Aber: „Ich hoffe, euch zum 35. Jubiläum als Bundespräsident gratulieren zu dürfen.“

Und hier sind wir wieder beim Thema Wahlkarten: Denn hätte der Kleber auf den Briefwahlkuverts seinen Zweck erfüllt – nämlich kleben –, hätte Österreich am 2. Oktober seinen Bundespräsidenten gewählt. Und die Grünen hätten eine Strategie für die kommenden Monate gehabt. Wäre Van der Bellen in die Hofburg eingezogen, dann hätten sie mit einem Vorwahlkampf nach dem Motto „Jetzt erst recht“ beginnen können. Hätte hingegen FPÖ-Kandidat Norbert Hofer gewonnen, dann hätte man sich auf Bundesebene als Gegenpol zu den Freiheitlichen in Stellung bringen können.

Und nun? Während Rot, Schwarz und Blau verbal schon ihren Wahlkampf für die Nationalratswahl beginnen, sind die Grünen in einer Art Schockstarre gefangen. Das Ziel: Bloß nicht auffallen, um potenzielle Van-der-Bellen-Wähler nicht zu verschrecken.

Die Grünen konzentrierten sich am Montag daher auf ihre Bilanz der vergangenen drei Jahrzehnte: „Die Wurzeln der Grünen liegen nicht nur in der Hainburger Au, sondern auch im tiefen Bedürfnis nach einer neuen Politik“, sagte Glawischnig. Aber auch Frauenpolitik, soziale Gerechtigkeit, Tierschutz und die Anti-Atom-Bewegung seien von Anfang an wichtige Themen der Bewegung gewesen.

Lob gab es auch aus dem Ausland, und zwar von Winfried Kretschmann: Die Grünen hatten ihren deutschen Parteikollegen und Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg als Festredner eingeladen. „Die österreichischen Grünen waren immer ein Stabilitätsfaktor in Europa“, sagte er. In heiklen Zeiten wie diesen sei die Bewegung besonders wichtig.

Nach 30 Jahren regieren

Und dann schlug Glawischnig doch kurz Wahlkampftöne an, zumindest für Van der Bellen: „Wir lassen uns dieses europäische Projekt von Rechtspopulisten nicht kaputt machen.“ Kretschmann motivierte zum Schluss noch die österreichischen Kollegen: „30 Jahre hat es bei uns gedauert. Auf einmal hat es geschnackelt, und wir waren in der Regierung. Ich wünsche den österreichischen Grünen, dass es dann auch bald mal schnackelt.“

AUF EINEN BLICK

Vor 30 Jahren zogen die Grünen ins Parlament ein. Bei der Nationalratswahl erhielt die Bewegung 4,8 Prozent der Stimmen bzw. acht Mandate. Damals führte Freda Meissner-Blau die Liste an. Seit mittlerweile acht Jahren ist Eva Glawischnig die Chefin der Partei. Ihr Vorgänger war der jetzige Hofburg-Kandidat Alexander Van der Bellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2016)

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