Obama: Wanderprediger auf der Weltbühne

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US-Präsident Obama skizzierte erneut seine Vision von einer besseren Welt. Seine Rhetorik verhallt zusehends, das Plenum reagierte mit freundlichem, aber keineswegs frenetischem Applaus.

New York. Die 47. Street unweit des zernierten UN-Hauptquartiers am East River gleicht einem galizischen Schtetl des 19. Jahrhunderts, voll mit Männern und Buben mit Schäfchenlocken, langen, dunklen Mänteln und schwarzen Hüten. Was wie eine Filmkulisse wirkt, ist der Schauplatz einer Protestkundgebung. Schulbusse haben hunderte orthodoxe Juden aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn nach Manhattan gekarrt.

Eingezwängt von Absperrgittern akklamieren sie die Brandrede eines Rabbis auf einem Truck, der gegen den Staat Israel, gegen den Zionismus und Premier Netanjahu hetzt: „Schande über dich, Israel.“ Wie wüste Antisemiten, wie Irans Präsident Mahmud Ahmadinejad lehnen sie den Staat Israel ab – allerdings aus religiösen Gründen. Ahmadinejad sollte später noch eine gewisse Rolle in der UNO spielen. Die deutsche Delegation drohte mit dem Auszug aus dem Plenum, sollte er erneut den Holocaust als Mythos verleugnen.

Forum für Exzentriker

Die UN-Generalversammlung ist stets auch ein Forum für bizarre politische Akte, für exzentrische Selbstdarsteller vom Schlage eines Hugo Chávez oder eines Muammar Gadhafi, die dem Vorbild eines Nikita Chruschtschow oder eines Jassir Arafat nacheifern. Bei seinem UN-Debüt in New York sorgte Gadhafi mit seinem Beduinenzelt für Furore. Als er ins Plenum einzog, reckte er triumphierend die Faust und hielt dann eine überlange Rede.

Das UN-Protokoll wies dem libyschen Revolutionsführer einen prominenten Platz in der Rednerliste, unmittelbar nach US-Präsident Barack Obama, zu. Libyen hat derzeit turnusmäßig den Vorsitz in der UNO inne und ist zudem – wie Österreich – mit einem Sitz im Sicherheitsrat vertreten. Der umjubelte Empfang des jüngst freigelassenen Lockerbie-Attentäters hat den erratischen Gadhafi freilich erneut in den Part eines Parias zurückkatapultiert.

Der Secret Service setzte alles daran, Obama von einem unliebsamen Kontakt mit Potentaten à la Gadhafi, Chávez oder Ahmadinejad zu bewahren. In seiner Rede vor dem Who's who der Weltpolitik präsentierte sich der US-Präsident dann erneut als charismatischer Führer und als überzeugter Multilateralist, der in einem mitunter predigerhaften Ton seine Vision von einer besseren Welt skizzierte. „Ich bin nicht naiv“, stellte er klar. „Die alten Gewohnheiten, die Teilung zwischen Nord und Süd, sind bedeutungslos geworden. Die USA sind bereit, die Führung zu übernehmen. Schließen Sie sich uns an!“

Wie anders klingt diese Einladung als die des Unilateralisten George W. Bush, dessen Alleingänge die internationale Gemeinschaft brüskiert hatten. Um der Welt mit gutem Beispiel voranzugehen, zitierte er den „Weltbürger“ Franklin D. Roosevelt, den Vorkämpfer gegen Rezession und Nationalsozialismus.

Barack Obama appellierte an die Verantwortung aller Staats- und Regierungschefs, für Frieden und Abrüstung, für den Schutz der Umwelt und die Ethik einer globalen Wirtschaft einzutreten. Das Plenum reagierte mit freundlichem, aber keineswegs frenetischem Applaus.

Die Rhetorik Obamas verhallt indes mit jeder seiner vor Eloquenz funkelnden Ansprachen. Der Präsident läuft Gefahr, als salbungsvoller Wanderprediger auf der Weltbühne – von Istanbul bis Kairo, von Prag bis Moskau – herumzuziehen. Von Iran bis Afghanistan, von Guantánamo bis Nahost: Die Politiker verweigern dem US-Präsidenten die Gefolgschaft. Als Mittler im Nahost-Konflikt beißt sich Obama die Zähne aus. Netanjahu und die arabischen Führer haben sich trotz des Drucks aus Washington kein Jota aufeinander zubewegt. Unter Obama hat die US-Außenpolitik einen neuen Kurs eingeschlagen – ein substanzieller Erfolg ist in den ersten acht Monaten seiner Amtszeit ausgeblieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2009)

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