Schule: Direktor bekommt freie Hand bei Klassengröße

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Wie viele Schüler in einer Klasse sitzen, wie lang die Einheiten dauern, welche Lehrer an die Schule kommen: All das soll der Direktor entscheiden. Für bis zu acht Schulen. Bei finanzieller Autonomie tut sich nicht viel.

Moderner, kindgerechter und eigenverantwortlicher, leistungsorientierter und transparenter und noch viel mehr: Schier endlos ist die Liste der positiven Attribute, die Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) zu der Art von Schule einfallen, die die Regierung mit dem Autonomiepaket ermöglichen will. Gestaltungsfreiheit in der vollen Breite sollten die Schulen haben, so Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) über das Paket, das vor fast einem Jahr in der Bildungsreform paktiert und dessen Eckpunkte gestern präsentiert wurden. Dabei dreht sich alles um den Schulleiter. Der deutlich mehr Freiheit – und Verantwortung – haben soll.

1 Direktoren sollen bis zu acht Schulen leiten. Und sich mit den anderen regional vernetzen.

Zwei Volksschulen, eine Neue Mittelschule und ein Poly, oder ein Gymnasium und eine Handelsschule: So könnten die neuen Schulcluster aussehen, die es künftig geben soll. Auf Initiative des Schulträgers (Bund, Land, Gemeinde) können bis zu acht Schulen zusammengeschlossen werden, die dann von einem Direktor geleitet werden. Dieser soll überlegen, wie sich alle Schulen entwickeln sollen und wie die Ressourcen – von Turnsälen bis zu Lehrern – am besten eingesetzt werden. Lehrer könnten dann vielleicht eher ihre Fächer statt, wie an kleineren Schulen üblich, alles Mögliche unterrichten. Ob sie bereit sind, zwischen Schulen zu pendeln, ist aber fraglich. Die anderen bisherigen Direktoren werden zu pädagogischen Leitern und dürfen bzw. müssen wieder mehr unterrichten. So soll das Geld für ein neues Sekretariat frei werden. Einsparungen würden sich auch durch den besseren Personaleinsatz ergeben. Mehrere Cluster, Schulen und Kindergärten sollen dann einen regionalen Verbund gründen (siehe Grafik links unten). So sollen sie besser auf regionale Bedürfnisse eingehen und bessere Übergänge ermöglichen.

2 Die Schulleiter dürfen ihre Lehrer auswählen. Loswerden können sie sie aber noch nicht.

Der Direktor soll selbst entscheiden können, welche Lehrer am besten in sein Team passen. Alles Administrative bleibt bei der Behörde (siehe Grafik rechts unten). Die soll auch eingreifen, wenn – etwa abgelegene – Schulen keine Lehrer finden. Wie gelingen soll, dass dort nicht nur die landen, die sonst kein Direktor will, ist noch nicht ganz klar. Brennpunktschulen sieht Mahrer gar nicht als so großes Problem: Junge Lehrer würden gern auch dorthin gehen. Ungelöst bleibt, was ein Direktor mit schwarzen Schafen tun kann – außer, sie im Cluster zu versetzen.

3 Direktoren sagen, wie viele Schüler in einer Klasse sitzen. Und wie lang die Stunde dauert.

Eine Klassenschülerhöchstzahl – für die unter 14-Jährigen ist das bisher 25 – oder fixe Teilungszahlen soll es künftig nicht mehr geben. Bei der Klassengröße hat der Direktor künftig freie Hand. Er könnte auch entscheiden, dass 70 Schüler frontal einen Geschichtevortrag haben – und den Stoff danach zu zehnt mit den Lehrern vertiefen. Der Sorge, dass das ein Sparpaket ist (siehe Artikel unten) entgegnet Hammerschmid: Der Verteilungsschlüssel für Lehrer an Schulen bleibe gleich. Es werde weiterhin gleich viele Lehrer pro Schüler geben – nur eventuell anders eingesetzt. Als Verrechnungsgröße bleibt die 50-Minuten-Einheit, aber auch nur als das. In der Praxis muss sie aber keine Rolle spielen: Die Länge der Einheiten wird flexibel.

4 Schulleiter sollen beim Lehrplan möglichst frei agieren können. Genaueres steht aus.

Auch bei den Lehrplänen sollen Schulen laut der Bildungsministerin möglichst frei agieren können. Genaueres war in den nun vorgestellten Eckpunkten allerdings nicht enthalten. Laut dem Bildungsreformpapier sollten Schulen über bis zu ein Drittel der Lehrpläne selbst entscheiden können.

5 Der Schulleiter überlegt, welche Fortbildung sein Team braucht. Und sucht genau das.

Bei der Fortbildung sollen sich Lehrer künftig nicht mehr einfach ihre Kurse aussuchen, sondern Weiterbildung soll überwiegend in ein größeres Konzept eingebunden sein. Die Schulleitung ist für die Personalentwicklung an der Schule (bzw. im Cluster) zuständig – und fragt bei den Pädagogischen Hochschulen spezifische Fortbildungen an. Diese können dann direkt an der Schule stattfinden.

6 Direktoren müssen ihre Ideen vorstellen. Und werden zunächst nur für fünf Jahre bestellt.

Für den Schulleiter soll sich auch einiges ändern: Das Bestellungsverfahren wird vereinheitlicht. Demnach sollen Kandidaten mindestens fünf Jahre unterrichtet und den ersten Teil eines neuen Hochschullehrgangs für Schulleiter absolviert haben und ihre Ideen für die Schule vorstellen. Die Eignung soll eine neue Begutachtungskommission prüfen. Direktoren (oder Clusterleiter) werden zuerst für fünf Jahre bestellt – und dann nach einer Evaluierung ohne Frist.

7 Viel Finanzautonomie haben Direktoren nicht. Es bleibt wohl beim Sachaufwandsbudget.

Bei der finanziellen Autonomie dürfte sich nicht viel ändern. Es bleibt wohl dabei, dass Direktoren ihr Sachaufwandsbudget verwalten können – das bei einem Schulcluster aus mehreren Standorten womöglich nun etwas mehr ausmacht als bisher. In den aktuellen Eckpunkten findet sich dazu nichts. Die Idee, dass Schulleiter entscheiden können, ob sie einen Teil ihres Personals als Lehrer oder Unterstützungspersonal wie Sozialarbeiter wollen, sei nach wie vor ein großer Wunsch, sagte Hammerschmid. Es ist aber (noch) nicht ausverhandelt. Klar ist für sie: Schulen sollten keine Unternehmen werden.

8 Autonomie braucht Kontrolle: Die Schulen und ihre Leistungen werden überprüft.

Die Verantwortung für die Ergebnisse und Leistungen einer Schule liegt bei der Schulleitung. Und die wird vom Bildungsministerium kontrolliert. Für die Kontrolle werden die Ergebnisse der Bildungsstandards herangezogen. Sie werden aber weiterentwickelt. Es soll neue Testinstrumente geben. Die bisherige Schulaufsicht soll Standorte beraten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2016)

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