Libyens Staatschef Gaddafi zerreißt UNO-Charta

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Bei seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung sorgte Muammar al-Gaddafi für Wirbel. Er attackierte die Vereinten Nationen scharf. Etliche Delegierte verließen den Saal.

Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi hat bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung wie erwartet einen Eklat ausgelöst. In einer aufgebrachten Rede warf er den Vereinten Nationen vor, ihre eigene Charta zu brechen. In der Präambel sei vorgeschrieben, dass alle Länder unabhängig von ihrer Größe gleichberechtigt seien, sagte Gaddafi am Mittwoch. Dennoch seien die meisten Staaten nicht im fünfzehnköpfigen Sicherheitsrat vertreten, die fünf Vetomächte hätten das alleinige Sagen.

"Das akzeptieren wir nicht, und das erkennen wir nicht an", schimpfte Libyens Staatschef sichtlich erregt, hielt ein Exemplar der UNO-Charta hoch - und zerriss einige Seiten. Das Vetorecht gehöre abgeschafft.

Sicherheitsrat sollte "Terrorrat" heißen

Auch die Sicherheitspolitik der UNO stellte Gaddafi pauschal als gescheitert dar. 65 aggressive Kriege hätten seit der UNO-Gründung im Jahre 1945 stattgefunden, ohne dass die Vereinten Nationen sie verhindert hätten. Dabei habe es mehr Tote gegeben als im Zweiten Weltkrieg, behauptete Gaddafi. Die Besetzung des UN-Sicherheitsrats mit Nuklearmächten sei "Terrorismus". "Er sollte nicht Sicherheitsrat heißen, er sollte Terrorrat heißen."

Außerdem forderte Gaddafi 7,77 Billionen Dollar (rund 5,26 Billionen Euro) für Afrika als Entschädigung für die Kolonialzeit. Er verlangte, die UNO-Zentrale aus New York abzuziehen (Begründung: Er fürchte "terroristische Anschläge") und gab auch Verschwörungstheorien zum Besten: So behauptete er, die Schweinegrippe werde militärisch oder wirtschaftlich genutzt und die Ermordung von John F. Kennedy stehe im Zusammenhang mit israelischen Interessen.

Für seinen Vorredner Barack Obama, den er in Anspielung auf dessen afrikanische Wurzeln als "unseren Sohn" bezeichnete, war Libyens Staatschef dagegen voll des Lobes. "Wir wären glücklich, wenn Obama für immer Präsident von Amerika bleiben könnte", sagte Gaddafi, der selbst seit 40 Jahren im Amt ist. Obama sei "der Beginn eines Wandels".

Der Libyer - der sich als "König der Könige Afrikas" ankündigen ließ - überzog seine Redezeit von 15 Minuten bei weitem und sprach mehr als eineinhalb Stunden lang. Etliche Delegierte - darunter US-Außenministerin Hillary Clinton - verließen den Saal während der Rede aus Protest.

Kritzelei im UNO-Gebäude

Vor seiner Rede in New York hatte sich Libyens Revolutionsführer auf dem Mobiliar im UNO-Gebäude verewigt. "Wir sind hier" kritzelte er auf den Platz des Vorsitzenden - auf Arabisch und Englisch.

Libyens staatliche Nachrichtenagentur JANA hatte schon am Vortag angekündigt, Gaddafi werde der UNO-Vollversammlung "radikale Lösungen vorschlagen, die diese Organisation in ihren Grundfesten erschüttern werden". Libyen hat in diesem Sitzungsjahr, das in der vergangenen Woche begonnen hat, turnusgemäß den Vorsitz.

(Ag.)

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