Merkel und Putin: Eine ziemlich komplizierte Beziehung

File photo of German Chancellor Merkel meeting Russian President Putin for talks in Wiesbaden
File photo of German Chancellor Merkel meeting Russian President Putin for talks in Wiesbaden(c) REUTERS (KAI PFAFFENBACH)
  • Drucken

Angela Merkel hat trotz allem noch einen guten Draht zu Wladimir Putin. Wenn ein westlicher Politiker auf den russischen Präsidenten einwirken kann, dann die deutsche Kanzlerin.

Berlin. Auf der Terrasse des Kanzleramts in Berlin ließ Wladimir Putin den Panoramablick auf sich einwirken, den Angela Merkel allen wichtigen Gästen darbietet: den Bundestag mit der gläsernen Kuppel, die Schweizer Botschaft, den Hauptbahnhof. In der Pressekonferenz danach ging es um einen Friedensplan für Syrien und die deutsch-russischen Handelsbeziehungen. Die Stimmung war entspannt und konstruktiv – damals im Juni 2012, beim letzten Besuch des russischen Präsidenten in der deutschen Hauptstadt.

Vier Jahre sind seither vergangen, weltpolitisch hat sich viel verändert – und zumindest was die Beziehungen zwischen Russland und den Westen betrifft, fast ausschließlich zum Negativen. Dass neben Merkel und Putin auch die Präsidenten Frankreichs und der Ukraine, François Hollande und Petro Poroschenko, am Mittwochabend die aktuelle Lage besprachen, ist augenfälliger Beleg für das angespannte Verhältnis.

Nicht nur haben Putins Truppen die Krim im Handstreich annektiert. Im Donbass in der Ostukraine unterstützt Putin die prorussischen Separatisten, in Syrien das Regime von Bashar al-Assad. Und auch die wirtschaftlichen Beziehungen haben seit der Verhängung von Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise arg gelitten, was in der SPD, in Teilen der CSU und insbesondere in der Wirtschaft zunehmend Unmut hervorruft.

„Die härteste Nacht meines Lebens“

Über die turbulenten Jahre hatte Merkel stets einen Draht zu Putin. Mehrere Dutzend Male haben sie miteinander telefoniert, um beim G20-Gipfel im September im chinesischen Hangzhou den Kontakt zu intensivieren. Die deutsche Kanzlerin streckte ihre Fühler zum russischen Präsidenten für die Wiederaufnahme des Dialogs in der Ukraine-Frage aus und sondierte die Chancen für ein Treffen in Berlin, ein Jahr nach einer letzten Konferenz in Paris. Die Eskalation in Syrien, die russischen Luftangriffe in Aleppo, brachten das Gespräch in Berlin noch in Gefahr. Nun stand auch Syrien auf der Agenda.

Der Ukraine-Konflikt ist mittlerweile eingefroren, die politischen Fronten sind verhärtet, und die Waffenruhe ist äußerst fragil. Vor eineinhalb Jahren hatten vor allem Merkel und Putin in einer nächtelangen Marathonverhandlung in der weißrussischen Hauptstadt um das Minsker Abkommen gerungen – das Fundament für einen Friedenspakt zwischen Kiew und Moskau. „Die härteste Nacht meines Lebens“, resümierte hinterher Putin.

Die ostdeutsche Pastorentochter und den ehemaligen KGB-Mann aus St. Petersburg verbindet ein ambivalentes Verhältnis, das von gegenseitiger Achtung und kritischem Misstrauen getragen ist. Von allen westlichen Politikern kann sich Merkel wahrscheinlich am besten in Putin einfühlen, weshalb sie von US-Präsident Barack Obama gedrängt wurde, den Kontakt zum Kreml-Chef trotz aller politischen Konflikte aufrechtzuerhalten.

Dass sich beide in ihren jeweiligen Muttersprachen unterhalten können, trägt wesentlich zur Gesprächsatmosphäre bei. Merkel erwarb in der Schule exzellente Russischkenntnisse, die ihr eine Moskau-Reise eintrugen. Als KGB-Offizier, der in der Spätphase der DDR in Dresden stationiert war, eignete sich Putin Deutsch an. Beide Töchter sind hier geboren, später schickte er sie auf die deutsche Schule in Moskau. 2006 kehrte er als Präsident nach Dresden zurück, und Merkel präsentierte ihm die Pracht von „Elbflorenz“.

Als Putin sie ein Jahr darauf in seiner Sommerresidenz in Sotschi empfing, testete er die Nervenstärke der Kanzlerin. Koni, seine Labradorhündin, schnüffelte an den Beinen Merkels, was die freilich gar nicht schätzte. Der Geheimdienstmann Putin will angeblich nichts von Merkels Hundephobie gewusst haben. Mit Gerhard Schröder, Merkels Vorgänger, pflegte der russische Präsident noch eine Männerfreundschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Klimkin
Außenpolitik

Ostukraine: Kiew lenkt offenbar in zentralem Punkt ein

Bisher verlangte die Regierung vor Wahlen in der Ostukraine die Hoheit über die Grenzen. Nun rückt Außenminister Klimkin von dieser Position ab.
Schäden nach Artilleriebeschuss in Donezk
Außenpolitik

Ukraine-Gipfel: Einigung auf Fahrplan zum Frieden

Im Bürgerkriegsgebiet soll eine bewaffnete Polizeimission beginnen, sagte der ukrainische Präsident Poroschenko nach Gesprächen in Berlin.
German Chancellor Merkel welcomes Russian President Putin for talks on a stalled peace plan for eastern Ukraine at the chancellery in Berlin
Außenpolitik

Ukraine-Gipfel in Berlin mit Merkel und Putin

Auch Frankreichs Präsident Holland und der ukrainische Präsident Poroschenko sind am Mittwochabend zum Gipfel nach Berlin gekommen.
Außenpolitik

Krisendiplomatie: Merkel öffnet Putin die Tür

Die deutsche Kanzlerin empfängt heute, Mittwoch, den russischen Präsidenten, Wladimir Putin, in Berlin. Thema des Gipfeltreffens: die Ukraine-Krise. Angela Merkel will aber auch über Syrien reden.
Außenpolitik

Merkel empfängt Putin: "Keine Wunder erwarten"

Merkel will Hilfe für die Zivilbevölkerung in Syrien erreichen. Auch der ukrainische Präsident Poroschenko und Frankreichs Staatschef Hollande werden in Berlin dabei sein.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.