"Die Ehe ist das, was Frau und Mann verbindet"

ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin und ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm
ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin und ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die liberale Familienministerin Karmasin und die wertkonservative Frauenchefin Schittenhelm (beide ÖVP) über die Ehe für Homosexuelle, das Pensionsantrittsalter für Frauen und Inakzeptables" bei der Hofer-FPÖ.

Die Presse: Vergangene Woche fand eine Teambuilding-Konferenz der ÖVP statt. Das Ergebnis: Die Partei muss „kantiger, emotionaler“ sein. Was wurde aus: jünger, moderner, weiblicher?

Sophie Karmasin: Ich bin mit den Entwicklungen in der Familienpolitik zufrieden. Unsere Reform des Kindergelds ist modern. In diese Richtung geht auch die Ermöglichung von Verpartnerungen auf dem Standesamt.

Im ÖVP-Regierungsteam ist Ministerin Karmasin die einzige Frau. Damit können Sie nicht zufrieden sein, Frau Schittenhelm.

Dorothea Schittenhelm: Eine Frau ist zu wenig. Aber es wäre jetzt schwierig, die Männer alle auszuwechseln. Nach der nächsten Nationalratswahl müssen wir danach trachten, dass wir beim neuen Regierungsteam 50:50 machen.

Wie gut können Sie mit Sebastian Kurz? Es ist wahrscheinlich, dass er die nächsten Koalitionsgespräche für die ÖVP führt.

Karmasin: Sebastian Kurz ist ein Förderer unserer Anliegen.

Schittenhelm: Alles zu seiner Zeit. Wir haben mit Reinhold Mitterlehner einen hervorragenden Parteivorsitzenden. Sowohl er als auch Kurz fördern Frauen.

Bei der jüngsten Regierungsumbildung ist der Frauenanteil gesunken – mit Hilfe aus St. Pölten.

Karmasin: Die Zielsetzung von Reinhold Mitterlehner war ja eine andere. Ihm wäre es lieber gewesen, den Frauenanteil gleich zu belassen.

Ab 2017 sind Verpartnerungen auch auf dem Standesamt möglich. Frau Schittenhelm, begrüßen Sie als Vertreterin des wertkonservativen Flügels diesen Schritt?

Schittenhelm: Ja. Ich hätte das schon von Anfang an eingeführt. Dann haben sich aber andere Kräfte durchgesetzt. Wo die Verpartnerung stattfindet, ist zweitrangig.

Sie sind aber gegen die Öffnung der Ehe für Homosexuelle?

Karmasin: Es ist wichtig, die Ehe so zu belassen, wie sie ist. Es geht uns nicht darum, wie das Rechtsinstrument heißt, sondern um wahrnehmbare Diskriminierungen. Es wollen auch nicht alle in der Homosexuellen-Community heiraten.

Einige aber schon. Was spricht Ihrer Meinung nach dagegen?

Schittenhelm: Die Ehe ist die Ehe. Verpartnern können sich zwei Männer, zwei Frauen, das ist okay. Aber die Ehe ist das, was Frau und Mann verbindet. Und nur diese Verbindung führt zu Kindern.

Aber was ist das Argument für diese Definition? Es ist ja nicht gottgegeben.

Schittenhelm: In dem Fall ist es so.

Legistisch gesehen nicht.

Schittenhelm: Die Ehe besteht zwischen Mann und Frau. Egal, wo sie nachschauen – im „Brockhaus“ oder auf Google –, ist das die Definition. Das heißt aber nicht, dass wir die andere Lebensform geringschätzen.

Der „Brockhaus“ kann aber Definitionen ändern.

Schittenhelm: Das ist unsere Einstellung, die wir haben, das muss man dann auch akzeptieren, so wie wir Verpartnerungen akzeptieren.

Beim „Levelling up“ waren Sie sich in der Vergangenheit uneinig: Es würde den Diskriminierungsschutz auf den Dienstleistungsbereich ausweiten.

Karmasin: Ich will es offen diskutieren. Im Zweifelsfall stehe ich auf der Seite der Diskriminierten. Dass die Wirtschaft keine neuen Reglementierungen will, verstehe ich. Die Frage ist: Was wiegt schwerer? Sie kennen meine Antwort.

Schittenhelm: Und Sie kennen auch meine Antwort.

Sie sind aufseiten der Wirtschaft.

Schittenhelm: Österreich hat ein gutes Diskriminierungsverbotsgesetz. Eine Wirtin muss die Möglichkeit haben, bei drei Fremdenzimmern zu bestimmen: Die Person will ich nicht. Dass es immer um Homosexuelle gehen soll, verstehe ich nicht. Mir ist noch nie jemand aufgefallen, dem man seine sexuelle Orientierung ansieht. Die Person legt Qualifikationen vor, darum geht es. Man muss den Unternehmen Freiheiten lassen.

Karmasin: Im Arbeitsrecht ist es ohnehin anders geregelt. Es geht nicht darum, dass ein Unternehmen nicht mehr über Kunden entscheiden darf, sondern um die Begründung seiner Entscheidung. Im unternehmerischen Tun sollte man aber nicht sagen dürfen: Ich gebe dir das Zimmer nicht, weil du homosexuell bist. Es ist eine Herausforderung, das Thema sachlich zu besprechen.

Jetzt hätten Sie die Möglichkeit.

Schittenhelm: Dafür müsste man auch die Wirtschaft an den Tisch holen, um eine Lösung zu finden.

Karmasin: Genau. Derzeit ist aber eher die hohe Arbeitslosigkeit zu besprechen, auch mit der SPÖ. Es gibt viele wichtige Themen.

Ein solches Thema ist das Pensionsantrittsalter von Frauen. Die ÖVP ist für eine frühere Angleichung an jenes der Männer.

Karmasin: Ja. Wenn Frauen finanziell unabhängig sein sollen, muss man Rahmenbedingungen dafür schaffen. Dabei geht es auch um den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, wir haben im letzten Jahr 11.320 geschaffen. Aber auch um das Pensionsantrittsalter. Die frühere Angleichung ist wichtig: Es geht darum, fünf zusätzliche Einkommensjahre zu haben, um ein geringeres Pensionseinkommen zu vermeiden.

Schittenhelm: Wir sind für eine frühere Anhebung – unter gewissen Voraussetzungen: Pro Kind sollen vier Jahre für die Pension angerechnet werden, sowohl pensionserhöhend als auch pensionsbegründend. Auch Karenzzeiten sollen bei den Gehaltsvorrückungen angerechnet werden.

Sie waren aber schon skeptischer: Erst wenn Männer das gesetzliche Pensionsantrittsalter erreicht haben, soll jenes der Frauen angepasst werden, sagten Sie.

Schittenhelm: Dazu stehe ich noch. Es ist zwar schon viel geschehen, aber Männer gehen im Vergleich zu Frauen immer noch sehr viel früher in Pension.

Aber soll das Frauenantrittsalter jetzt erhöht werden – oder wenn jenes der Männer angepasst ist?

Schittenhelm: Dass das Antrittsalter der Männer angepasst ist, setze ich einmal voraus.

Die SPÖ befürchtet mehr Arbeitslose unter älteren Frauen.

Karmasin: Hier weiß man nicht: Was ist die Henne, was das Ei? Frauen haben ab 40 oft Schwierigkeiten, den Job zu wechseln. Als Arbeitgeber hat man da bereits das Pensionsantrittsalter im Kopf. Wenn es für beide Geschlechter gleich wäre, müsste auch der Arbeitgeber nicht unterscheiden.

Ist das ausschlaggebend dafür – weniger als Alter und Kosten?

Karmasin: Das ist ein möglicher Grund – neben den anderen.

Als Familienministerin kritisieren Sie traditionelle Rollenbilder. Auch auf Basis einer Studie: 65 Prozent sehen es sehr positiv, wenn Mütter länger in Karenz gehen. Berufstätige werden skeptisch beäugt. Ist Österreich zu konservativ?

Schittenhelm: Studien kann man ja auch bestellen.

Karmasin: Die kam aber von der Akademie der Wissenschaften.

Schittenhelm: Junge Frauen wollen finanziell unabhängig sein. Man kann sich nicht immer auf den Mann verlassen, er könnte ja auch weg sein.
Karmasin:
Oder vielleicht will ja auch die Frau gehen.

Schittenhelm: Es geht darum, eine gute Ausbildung zu haben – und am Ende des Tages eine eigene Pension. Der Wiedereinstieg nach der Geburt ist oft unabdingbar.

Zweifeln Sie die Studien an, die die Ministerin präsentiert?

Schittenhelm: Nein. Ich zweifle generell manche Interpretationen von Studien an.

Karmasin: Die Akademie der Wissenschaften hat das gut gemacht.

Sie bleiben dabei: Rollenbilder in Österreich sind traditionell?

Kamasin: Ja. Ich kenne keine Studie, die das Gegenteil besagt. Die Rollenbilder sind traditionell, das heißt: Frauen sollen mindestens drei Jahre nach der Geburt zu Hause bleiben. Durch diese Stereotype erfahren wir eine gesellschaftliche Verengung. Wenn Frauen nach einem halben Jahr bei den Kindern wieder in den Beruf einsteigen wollen, soll das bitte gesellschaftlich akzeptiert sein. Genauso, wenn Frauen daheim bleiben wollen. Es ist schade, dass wir nicht in einem Land leben, in dem wir viele Optionen haben, und uns auf ein traditionelles Bild verengen.

Ein Buch – herausgegeben von Hofburg-Kandidat Norbert Hofer – hat für Aufregung gesorgt. Unter anderem war von „Brutpflege“ die Rede. Ist er aus frauenpolitischer Sicht wählbar?

Karmasin: Jeder, der mich kennt, weiß, wo ich zu Hause bin. Ich muss aber keine Wahlempfehlung abgeben.

Schittenhelm: Das Buch zeigt, wie die FPÖ tickt. Das ist inakzeptabel.

Karmasin: Wenn man das hört, ist klar, wie man als Frau entscheidet.

ZU DEN PERSONEN

Sophie Karmasin (49) ist seit Dezember 2013 Ministerin für Familien und Jugend. Der damalige ÖVP-Chef Michael Spindelegger holte die parteifreie Wienerin überraschend in sein Team. Sie sollte vor allem moderne, urbane Frauen ansprechen. Die Doppelakademikerin hat Wirtschaft und Psychologie studiert. Später stieg sie in den Familienbetrieb (Gallup-Institut, Karmasin-Motivforschung) ein, bevor sie in die Politik wechselte.

Dorothea Schittenhelm (62) ist seit November 2010 Vorsitzende der ÖVP-Frauen. Seit 2007 sitzt die in Strem im Südburgenland geborene Schittenhelm im Nationalrat, davor war sie ab 1997 niederösterreichische Landtagsabgeordnete. Schittenhelm, die bundesweit mit ihrem Eintreten für eine „Töchter“-Version der Bundeshymne für Aufsehen gesorgt hat, war außerdem langjährige Bürgermeisterin der Marktgemeinde Bisamberg bei Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.