„Die IS-Kämpfer sollen ruhig aus Mossul flüchten“

Members of Iraqi security forces celebrate after the liberation of Khalidiya village from Islamic State militants, south of Mosul, during an operation to attack Islamic State militants in Mosul
Members of Iraqi security forces celebrate after the liberation of Khalidiya village from Islamic State militants, south of Mosul, during an operation to attack Islamic State militants in Mosul(c) REUTERS (THAIER AL-SUDANI)
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Der irakische Sprecher der Anti-IS-Koalition bestätigt, dass ein Korridor für den IS nach Syrien offen bleiben soll.

Die Presse: Die Armee des Irak stand heftig in der Kritik wegen mangelnder Moral und Durchschlagskraft. Hat sich am Zustand der Soldaten etwas geändert?

Yahia Rasul al-Zubeider: Die Truppen, die an der Mossul-Operation teilnehmen, sind hoch motiviert. Sie wurden dafür über ein Jahr lang von den USA und anderen Koalitionsmitgliedern bestens trainiert. Die irakische Armee hat bei den Eroberungen von Ramadi und Falluja bereits bewiesen, was sie kann. Wir haben hervorragende Spezialeinheiten, wie die Goldene Division und die Antiterror-Einheit. Da mache mir keine Sorgen.

Wird die Armee des Irak von der Türkei Hilfe bekommen, die ein Truppenkontingent bei Mossul stationiert hat? Der türkische Präsident Erdoğan will unbedingt, dass sein Land am Angriff teilnimmt.

Nein, das wird bestimmt nicht passieren. Die türkischen Soldaten sind ohne jede Genehmigung in den Irak gekommen. Niemand hat ihnen eine Erlaubnis erteilt und Visa ausgestellt. Die türkischen Soldaten müssen den Irak verlassen. In unserem Land kämpfen keine ausländischen Soldaten mit der nationalen Armee.

Und was ist mit den US-Militärs, die an der Mossul-Front zu beobachten sind?

Sie haben nur beratende Funktion und kämpfen nicht mit der Waffe.

Der IS hat bisher relativ geringen Widerstand geleistet – eine Überraschung?

Nein, denn wir wissen alles über die Terrororganisation. Wir haben uns sehr sorgfältig vorbereitet. Egal, wo wir angreifen, wir wissen, was uns da erwartet. Wir haben über einen langen Zeitraum Geheimdienstinformationen gesammelt. Außerdem kollaborieren die Einwohner Mossuls mit uns. Sie liefern täglich eine Fülle von Informationen. Dadurch konnten wir sogar gezielte Bombenangriffe durchführen. Ich selbst erhalte immer wieder Telefonanrufe mit guten Infos direkt aus Mossul.

Wie ist denn die Lage dort? Es wird berichtet, dass der IS zunehmend brutaler gegen die Bevölkerung vorgeht.

Ja, aber das ist typisch für eine Terrororganisation. Wenn wir Mossul erreichen, wird sich die Bevölkerung gegen den IS erheben. Es wurden dort Waffen versteckt, und es gibt Widerstandsgruppen, die Anschläge gegen die Terroristen ausführen.

Aber hatte die Bevölkerung nicht den IS willkommen geheißen, als er die Stadt im Juni 2014 einnahm? Sollten die Menschen in Mossul nicht Angst vor der irakischen Armee haben?

Früher mag das so gewesen sein. Aber durch die Befreiung von Ramadi und Falluja haben die Bewohner erkannt, dass unsere Soldaten Menschen beschützen.

Das mag bei der Armee des Irak der Fall sein. Aber unter der sunnitischen Bevölkerung Mossuls wird Panik ausbrechen, wenn sie hört, dass schiitische Milizen im Anmarsch sind, die berüchtigt für Folter und Mord an Sunniten sind.

Diese Milizen sind zwar an der Mossul-Operation beteiligt, werden aber keinesfalls in die Stadt eindringen. Allein deshalb gibt es keinen Grund zur Furcht. Zudem wurden die Ausschreitungen, die Sie angedeutet haben, von einigen wenigen Soldaten begangen, die bestraft wurden. Es gab keine systematischen Vorfälle.

Werden die Milizen nicht im Notfall in Mossul zum Einsatz kommen, wenn nicht alles nach Plan läuft?

Nein, das wird in Mossul nicht passieren. Wir brauchen dort keine neue Truppen. Wir haben die Antiterror-Einheit.

Stimmt es, wie in Medien berichtet wurde, dass ein Korridor freigehalten wird, damit der IS nach Syrien fliehen kann?

Ein Korridor ist nichts Besonderes. Alle Armeen der Welt machen das. Wenn der Feind von allen Seiten umzingelt ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als bis zum Tod zu kämpfen. Dafür muss die Zivilbevölkerung einen hohen Blutzoll bezahlen. Und genau das wollen wir vermeiden. Wir sind jedoch auf alle Szenarien vorbereitet.

Wie meinen Sie das?

Die IS-Kämpfer sollen ruhig aus Mossul flüchten. Wir könnten es dann ja so wie in Falluja machen. Dort haben wir einen Korridor freigehalten, durch den Hunderte von IS-Fahrzeugen davonfuhren. Bevor sie jedoch in der Wüste verschwanden, wurden sie alle bombardiert und vernichtet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2016)

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