Wenn Private Firmen Geld leihen

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Noch ist es eine kleine Marktnische, aber sie wächst: Immer mehr Mittelständler holen sich Geld von privaten Investoren.

Wien. Das Sparbuch ist in Österreich nach wie vor die beliebteste Sparform, ergab eine kürzlich veröffentlichte Sparstudie der Erste Bank. Auch bleibe Geld immer häufiger einfach auf dem Konto liegen – von den Zinsen her macht das kaum noch einen Unterschied. Sicherheit geht dem Großteil der heimischen Anleger offenbar über alles, selbst um den Preis realer Wertverluste. Über Wertpapierinvestments trauen sich viele schlicht nicht drüber: 55 Prozent gaben an, das sei zu schwierig zu verstehen.

Zugleich gibt es aber auch ein gegenläufiges Phänomen: ein wachsendes Interesse an alternativen Investitionsmöglichkeiten abseits gängiger Bankprodukte. Konkret finden sich immer mehr Leute bereit, Unternehmern direkt Geld zu leihen. Und der Bedarf dafür ist da: Was mit dem Waldviertler „Schuhrebellen“ Heini Staudinger in einem rechtlichen Graubereich begann, bekommt, seit es durch das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) einen rechtlichen Rahmen hat, immer mehr Zulauf. Nicht nur von Gründern, die so zu Startkapital kommen wollen, sondern auch von etablierten Mittelständlern.

Ein Beispiel: der niederösterreichische Sanitärtechnik-Hersteller WimTec, ein seit 25 Jahren bestehendes Familienunternehmen mit derzeit 60 Mitarbeitern. Bis zu eine Million Euro will er in eine Exportoffensive nach Deutschland investieren, davon 300.000 Euro aus Eigenmitteln. Der Rest soll von privaten Geldgebern kommen. Vergangenen Freitag, 51 Tage nach dem Start der Alternativfinanzierung, vermeldete das Unternehmen einen beachtlichen Zwischenstand: 40 Investoren haben bereits 406.000 Euro aufgebracht. Die Nachrangdarlehen haben sechs Jahre Laufzeit, die Investoren können jährlich wählen, ob sie 4,5 Prozent Zinsen auf das Konto oder 8,4 Prozent als Warengutschein wollen. Firmengründer Herbert Wimberger betont die Effekte für die Wertschöpfung in der Region – und macht kein Hehl daraus, dass es ihm auch um die Marketingwirkung geht: Das Unternehmen verkauft an den Großhandel, hat normalerweise keine Kundenfrequenz. Da bieten die Info-Abende für Investoren eine willkommene Gelegenheit, die eigenen Technologien und Produkte ins Gespräch zu bringen.

Substanzgenussrecht statt Darlehen

Andere Unternehmen wickeln solche Finanzierungen nicht selbst ab, sondern überlassen sie speziellen Plattformen. Eine davon, dagobertinvest, hat sich ebenfalls auf etablierte Unternehmen spezialisiert, vor allem auf Bauträger. Mit Stand vom 21. Oktober verzeichnete die Plattform laut eigener Angabe investierte Gelder in Höhe von 797.151 Euro, 303 Investoren und 172.100 Euro an bereits zurückgezahlten Darlehen.

Die Finanzierungen laufen hier ebenfalls großteils über Nachrangdarlehen für konkrete Projekte, meist mit eher kurzen Laufzeiten (sechs bis 30 Monate). Daneben wird seit Kurzem auch eine andere Variante angeboten: die Möglichkeit, sich in Form eines Substanzgenussrechts an einer Immobilienfirma zu beteiligen. Die Modalitäten sind beim Substanzgenussrecht etwas anders: Die Laufzeit ist an sich unbefristet, das Geld mindestens sieben Jahre gebunden. Dafür verspricht das Unternehmen die Ausschüttung jährlicher Gewinnbeteiligungen und eine Vermögensbeteiligung bei der Abschichtung.

Gemein ist beiden Konstrukten, dass es sich um Nachrangkapital handelt. Das heißt, im Fall einer Pleite rangiert man hinter allen nicht nachrangigen Gläubigern, vor allem auch hinter kreditgebenden Banken. Zum Teil wird das als wenig verbraucherfreundlich kritisiert. Wie groß das Risiko tatsächlich ist, hängt jeweils von den Gegebenheiten im Einzelfall ab.

Laut dem Alternativfinanzierungsgesetz gebe es freilich auch andere, nicht nachrangige Finanzierungsformen – etwa das Begeben von Anleihen. Hier scheitern sie aber oft an der praktischen Umsetzung: „Der Vertrieb ist das Problem“, sagt Günther Lindenlaub, Geschäftsführer der ebenfalls auf etablierte Mittelständler fokussierten Finanzierungsplattform Finnest. Die Unternehmen müssten den Anleihenvertrieb in Eigenregie bewerkstelligen. Das überfordert viele KMU. Über Plattformen, die keine entsprechende FMA-Konzession haben, dürfen Anleihen jedoch nicht vertrieben werden.

Finnest selbst arbeitet ebenfalls mit Nachrangdarlehen, hat aber auch eine Variante entwickelt, bei der Unternehmen den Anlegern zusätzlich einen Bonus anbieten können – also höhere Zinsen, wenn bestimmte Finanzkennzahlen übererfüllt werden. Damit soll eine Art Erfolgsbeteiligung ermöglicht werden, ohne den rechtlichen Rahmen des Darlehens zu verlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2016)

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