Kerns Kurz: Die Rolle von Hans Peter Doskozil in der SPÖ

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Der Verteidigungsminister agiert als rechter Flügel im Regierungsteam der SPÖ. Aber benötigt Christian Kern einen solchen überhaupt?

Er war die personifizierte Wende in der Flüchtlingspolitik von Werner Faymann: Mit Hans Peter Doskozil ist der Applaus der Sozialdemokratie für die Willkommenskultur zu Ende gegangen. Auch wenn der neue Kurs hin zu Grenzschutz und zum Schließen der Balkanroute von der ÖVP und da namentlich von Außenminister Sebastian Kurz ausgegangen ist, hat Doskozil stets den Eindruck erwecken können, er sei eine der treibenden Kräfte. Und das, obwohl er als Verteidigungsminister fachlich nur am Rande damit befasst war. Mit dem Führungswechsel in der SPÖ stellte sich die Frage nach der Position Doskozils neu. Sie ist bis heute noch nicht eindeutig beantwortet.

Natürlich kann die Rolle von Doskozil nicht auf das Asylthema reduziert werden. Der aus der burgenländischen SPÖ kommende Neo-Politiker hat in den wenigen Monaten seiner Amtszeit in seinem eigentlichen Fachbereich, dem Bundesheer, bereits deutliche Spuren hinterlassen. Überspitzt formuliert: Er ist drauf und dran, dem Heer ein neues Selbstbewusstsein einzuimpfen. Mit Schrott-Lkw fahren? Benzin rationieren? Das war einmal. Nach Jahren des Sparens steht dem Bundesheer auf einmal wieder Geld zur Verfügung. Die notwendige Ausrüstung kann angeschafft und der Dienstbetrieb sichergestellt werden.

Das ist zwar nicht allein Doskozils Verdienst, sondern auch Folge der neuen Bedrohungen des Landes durch den Terror, aber man merkt doch, dass der Minister um Mittel für sein Ressort kämpft. Das war bei seinen Vorgängern nicht unbedingt der Fall. Und auch die – allerdings doch ein wenig skurril anmutende – Idee eines Bundesheer-Denkmals auf dem Wiener Heldenplatz soll den jahrzehntelang mit Missachtung bedachten Soldaten eines vermitteln: Ihr seid wieder jemand.

Eine zentrale innenpolitische Rolle hat Doskozil aber nicht mit dem Bundesheer, sondern bei den Themen Flüchtlinge und Migration. Da steht SPÖ-Vorsitzender Christian Kern vor demselben Problem wie schon seine Vorgänger: Die Basis der Partei ist nicht nur tief gespalten, eigentlich gibt es eine doppelte Basis, deren Teile wenig Gemeinsamkeiten haben. Auf der einen Seite eine urbane, gebildete, gesellschaftspolitisch liberale Klientel, um die man sich mit den Grünen und neuerdings mit den Neos matcht. Die ÖVP hatte in letzter Zeit in dem Segment wenig zu melden, möglicherweise wäre aber eine von Sebastian Kurz geführte Volkspartei auch da erfolgreich. Auf der anderen Seite die Arbeiterschaft, die von der FPÖ höchst erfolgreich umworben wird, indem Migranten als Feindbild verkauft werden.

Entlang dieser Klientel haben sich die beiden Flügel der Partei ausgebildet: der von der Wiener Innenstadt-SPÖ getragene linke Flügel und der von den Wiener Außenbezirken und der burgenländischen SPÖ getragene rechte Flügel. Dieser sieht sich als eine Art FPÖ light: Man spricht über dieselben Themen, hat ähnliche Lösungsansätze, aber mit einem humanitären Touch.


Christian Kern verfolgt ein anderes Konzept. Wer seine Debattenbeiträge aufmerksam verfolgt, wird merken, dass das Thema Zuwanderung darin kaum vorkommt. Er geht davon aus, dass vor allem jene für fremdenfeindliche Propaganda anfällig sind, die sich sozial benachteiligt fühlen, und versucht, genau das anzusprechen: Man brauche ein Europa oder eine Wirtschaft, die den Menschen diene und nicht den Konzernen, so sein Credo. Ob das wirkt? Das wird davon abhängen, ob die Botschaft überhaupt bis zur Basis durchdringt und ob ihm geglaubt wird, in der Verteilungsfrage auch tatsächlich etwas bewirken zu können.

Welche Rolle Hans Peter Doskozil in diesem Konzept spielt? Eigentlich gar keine. Trotzdem lässt Kern ihn unbeirrt weiterwerken. Das mag an den realpolitischen Gegebenheiten liegen: Der rechte Parteiflügel hat eine derart starke Position, dass sich auch ein Parteivorsitzender möglichst nicht dagegenstellt. Es könnte aber auch sein, dass Kerns Konzept nicht aufgeht. Dann könnte sich der rechte Flügel für ihn durchaus noch als hilfreich erweisen.

E-Mails an:martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2016)

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