Ceta: Belgische Innenpolitik mit anderen Mitteln

Wallonen streiten mit Flamen und der Föderalregierung.

Brüssel. Inwieweit in dem Konflikt um das Freihandelsabkommen mit Kanada tatsächliche Vorbehalte der wallonischen Regierung gegenüber dem Inhalt von Ceta ausschlaggebend sind, ließ sich bis zuletzt schwer einschätzen. Faktum ist jedenfalls, dass die tatsächlichen Handelsströme nicht das Problem sein können, denn die belgischen Ausfuhren nach Kanada beliefen sich 2015 auf gerade einmal rund eineinhalb Mrd. Euro – und den Löwenanteil des Handels wickelte Flandern ab.

Die Tatsache, dass die Wallonie die Ratifizierung von Ceta blockieren kann, geht ebenfalls auf Flandern zurück. In ihrem Bemühen um möglichst große Autonomie haben die Flamen mehrere Staatsreformen durchgesetzt, die den belgischen Regionen und Sprachgruppen weitreichende Mitspracherechte gewährten. Dass diese Rechte nun gegen die Flamen eingesetzt werden, die Ceta befürworten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

 

Nord-Süd-Gefälle

Die Wallonie war das einstige Industriezentrum Belgiens, mit dem Niedergang der Stahl- und Schwerindustrie verschob sich die belgische Wertschöpfung Richtung Flandern. Heute gibt es in Belgien ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle zwischen dem kriselnden frankofonen Süden und dem wohlhabenden flämischsprachigen Norden des Landes. Ceta bietet also eine Bühne für die Austragung eines innerbelgischen Konflikts – zumal die Wallonie von der Sozialistischen Partei dominiert wird, an der Spitze von Belgiens Föderalregierung hingegen steht Charles Michel vom liberalen Mouvement Réformateur. Michel ist zwar ebenfalls Wallone, doch sein Kabinett ist von flämischen Nationalisten, Christdemokraten und Liberalen dominiert. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2016)


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