E-Learning: Paragrafenreiten unter der Sonne

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An der juridischen Fakultät in Linz ist es seit 2003 möglich, ein Jusstudium vollständig über Internet und DVD zu absolvieren.

Vormittags im Meer die Wellen und nachmittags unter der Sonne die Paragrafen reiten: Jusstudenten der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU) steht diese Option theoretisch offen. Mitunter nutzten sie sie tatsächlich: „Im Sommer bekam ich ein Mail von einem Studenten mit der Bitte, ich möge ihm einen Zusammenhang erklären. Er sitze gerade mit seinem Laptop am Strand und sehe sich die DVD mit dem Lehrstoff Privatrecht an“, berichtet Andreas Riedler, Institutsvorstand für Multimediale Rechtsstudien und Zivilrechtsprofessor an der JKU.

Ortsunabhängig studieren

An der Linzer Fakultät für Rechtswissenschaften geht man seit 2003 nämlich einen völlig neuen Weg des Studierens: Jusstudenten können zeit- und ortsungebunden ein Diplomstudium absolvieren. Kein fixer Stundenplan, kein mühsames Suchen nach den notwendigen Seminaren oder Lehrveranstaltungen, und nicht einmal für die vorgeschriebenen Prüfungen müssen die Studenten nach Linz reisen. Für Berufstätige eine praktische Möglichkeit, ein Studium zu absolvieren.

Die neue Freiheit des Studierens ermöglicht der Medienkoffer. Darin befindet sich sämtliches Lehrmaterial für den ersten respektive zweiten Studienabschnitt. „Das Wissen wird auf drei Wegen vermittelt: Auditiv, visuell, und auch der taktile Lerntyp wird in unserem Lernkonzept angesprochen“, informiert Riedler. Beispielsweise verfolgt der Student den Inhalt einer Lehrveranstaltung auf einer DVD, wobei der gesamte Vortrag durch Folien und Bilder unterstützt wird. Damit der Student nicht zum passiven Konsumenten verkümmert, tauchen in unterschiedlichen Intervallen Fragen oder Rechtsfälle auf, die es zu beantworten gilt.

Seminare, die üblicherweise Anwesenheit des Studenten voraussetzen, können ebenfalls fern von der Universität „besucht“ werden. „Wer nicht im Hörsaal sitzt, kann die Veranstaltung zeitgleich via Internet besuchen und mittels Chats Fragen an den Vortragenden stellen, der wiederum für alle Studenten hörbar darauf eingeht.
Per Webcam oder Telefon können die externen Studenten ebenfalls interagieren“, zeigt Riedler die
zahlreichen Varianten auf.

Die im Jusstudium besonders wichtige Komponente des Erörterns von Rechtsfällen wird gleichfalls multimedial abgehandelt: „Im Medienkoffer befinden sich sowohl Falltrainingsfächer als auch Muster zu Prüfungsfällen, die zeigen, was sich der Professor von seinem Prüfling erwartet“, so Riedler.

Nur eine Präsenzphase

Im Prinzip müssen die Jusstudenten kein einziges Mal ihre Universität in Linz besuchen. Lediglich zu Beginn des Studiums ist eine fünftägige Präsenzphase verpflichtend, die in Villach, Bregenz und Stadtschlaining abgehalten wird. Dabei stellen die Professoren ihre Fächer vor, erklären die Handhabung des Medienkoffers und erläutern die interaktive Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Seminaren. Um den sozialen Kontakt während des Studierens zu unterstützen, werden regionale Studiengruppen gebildet. Die interaktive Form des Studierens scheint Anklang zu finden: 3500 Multimedia-studenten verzeichnet die Universität seit Beginn der virtuellen Rechtsausbildung im Jahr 2003.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2009)

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