Der spezielle Schutz für Investoren steht im Mittelpunkt der Ceta-Kritiker. Ein Überblick über die wichtigsten Einwände – und was davon aus Sicht des Schiedsrechtsexperten August Reinisch zu halten ist.
Die Kritik an einer Schiedsgerichtsbarkeit, die Investoren gegen unzulässige Eingriffe im Gastland schützen soll, ist ein fixer Bestandteil aller Texte, die gegen das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen Ceta geschrieben wurden. Von NGOs wie Greenpeace über Parteien und Interessenvertretungen wie SPÖ und ÖGB bis zum honorigen Deutschen Richterbund: Sie alle prangern das spezielle Klagsrecht für Unternehmen an. Die Kritik hat zwar gewirkt, indem sie zur neuen Form eines permanenten Investitionsgerichtshofs samt Berufungsinstanz geführt hat; sie verfehlt aber vielfach ihr Ziel.
► Geheimjustiz? Nach Vorgaben der Transparenzregeln der UN-Kommission für internationales Handelsrecht, die für den Ceta-Gerichtshof gelten werden, sind Schiedsverfahren sehr transparent. Es sollen alle Entscheidungen veröffentlicht werden und auch – von eng umschriebenen Ausnahmen abgesehen – die Argumente der Parteien, sagt August Reinisch, Professor für Völkerrecht an der Uni Wien und erfahrener Schiedsrichter.
► Zweiklassenjustiz? Wahr ist, dass nur ausländische Unternehmen, die im Gastland investiert haben, das Schiedsgericht anrufen können. „Das ergibt sich aber aus der Natur der Sache“, so Reinisch. Ziel dieses bilateralen Ansatzes ist ja gerade, grenzüberschreitende Investitionen zu schützen. Österreich z. B. ist, wiewohl Partner Dutzender Investitionsschutzabkommen, erst einmal vor ein Schiedsgericht gebracht worden (durch eine in Malta ansässige Meinl-Gesellschaft). Eine Alternative wäre das multilaterale Modell des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das In- und Ausländern gleichermaßen zugute käme; das würde aber noch stärker in die Souveränität eingreifen.
► Neue Pflichten? Das Schiedsgericht schafft nicht neue Pflichten, sondern soll helfen, bestehende durchzusetzen. Das zeigt das Beispiel Vattenfall: Der schwedische Energiekonzern klagt Deutschland wegen dessen Atomausstiegs. Höchstwahrscheinlich hat er vor der Entscheidung zu AKW-Investitionen deutsche Zusagen für einen jahrzehntelangen Betrieb erhalten, um die hohen Errichtungskosten einspielen zu können. Dann wäre ein Ersatz verlorener Kosten verständlich. „Sollte Deutschland unterliegen, wird es zu Entschädigungszahlungen kommen“, sagt Reinisch. Es kann aber nicht gezwungen werden, seine Politik zu ändern: Der Atomausstieg bleibt Deutschlands souveräne Entscheidung.“
► Handlungsspielraum begrenzt? Der Investitionsschutz umfasst fünf Prinzipien: keine entschädigungslose Enteignung; faire und gerechte Behandlung; Schutz vor Eingriffen durch Dritte; Nichtdiskriminierung gegenüber nationalen Investoren und solchen aus Drittstaaten; Kapital- und Zahlungstransfers müssen gewährleistet sein. „Am meisten kritisiert wird das Gebot der ,fairen und gerechten Behandlung‘, weil das unbestimmte Rechtsbegriffe sind“, so Reinisch. „Aber die sind in Ceta enorm eng umschrieben, da muss weder die EU noch Kanada sich fürchten.“
► Gewöhnliche Gerichte reichen? Selbstverständlich kann und wird jeder Investor primär zu innerstaatlichen Rechtsbehelfen greifen, wenn er meint, es geschieht ihm Unrecht. Der Investitionsschutz ist aber für Notfälle gedacht. Die könnten etwa dann auftreten, wenn ein nationales Gericht ein ordnungsgemäß zu Stande gekommenes, jedoch möglicherweise ein Ausländer diskriminierendes, Gesetz anzuwenden hätte.
► EuGH-Auslegungsmonopol bedroht? Vor allem die deutschen Richter sorgen sich darum, dass der Investitionsgerichtshof über EU-Recht zu entscheiden hätte, über dessen Auslegung im Streitfall jedoch der Gerichtshof der EU (EuGH) stets das letzte Wort zu sprechen hat. Von diesem EuGH selbst stammt eine ältere Entscheidung, wonach Schiedsgerichte bei ihm keine Vorabentscheidungen beantragen können. Um dieses Dilemma zu relativieren, stellt Ceta ausdrücklich klar, dass der Investitionsgerichtshof ausschließlich das Abkommen anzuwenden hat, nicht jedoch EU-Recht.