Integrationsstadträtin: "Kein Stück nach rechts"

Frauenberger
Frauenberger(c) FABRY Clemens
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Wiens Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger stellt sich gegen die Bundespartei: Keine schärfere Linie in der Ausländerpolitik, sondern ein Bekenntnis zu Zuwanderung und Integration. Ein "Presse"-Interview.

Kaum verliert die SPÖ bei den Landtagswahlen und die FPÖ gewinnt dazu, muss eine neue Ausländer-Politik her. Da werden Ihre Wiener Integrationsmaßnahmen einfach als neue Parteilinie verkauft, nicht?

Sandra Frauenberger: Was meinen Sie?

Ihre „Hausordnung für Wien“, an die sich Ausländer und Migranten halten sollen und die dann schnell vor der oberösterreichischen Landtagswahl als Integrationspapier der Bundespartei verkauft wird.

Frauenberger: Da muss ich vehement widersprechen. Das stimmt nicht. Die Bundespartei hat sich schon vor einem Jahr darüber Gedanken gemacht, wie ein Leitantrag zum Thema Integration beim kommenden Parteitag aussehen kann. Dazu gab es von den Bundesgeschäftsführern organisierte Runden mit Experten und Jugendvertretern, wie das aussehen kann und soll. Das ist von langer Hand vorbereitet, da geht es nicht darum, schnell ein Papier präsentieren zu können. Ich bin eingebunden und die Begleitung von Integration werde ich aus Wiener Sicht einarbeiten.

In der Bundespartei hat es verschiedene Aussagen gegeben: Gibt es nun eine neue schärfere Ausländerpolitik um gegen die FPÖ reüssieren zu können. Gilt dies auch für Wien wegen der kommenden Landtagswahl?

Frauenberger: Ganz sicher nicht! Wir in Wien haben eine ganze klare Linie. Es hat keinen Diskurs in der Partei zwischen Bund und Land gegeben. Wenn wir diskutiert hätten, ob wir eine schärfere Linie fahren oder nicht, müsste ich klar und deutlich sagen: Hier gibt es unser Integrationskonzept. Wir sagen klar Ja zur Zuwanderung, aber dafür erwarten wir uns ein Ja zu Wien, soll heißen: das Respektieren unserer Spielregeln, unser Hausordnung, Menschen- und Frauenrechte. Als Wiener Integrationsstadträtin ist es meine Aufgabe, in der Bundespartei zu deponieren: Unsere Haltung heißt auch, dass es einen Rechtsruck in dieser Frage nicht geben wird. Es gibt auch viele Menschen in diesem Land, die uns nicht trotz, sondern wegen unserer Integrationspolitik wählen. Ich glaube nicht, dass man mit einem kleinen Stück nach rechts zu rücken auch nur eine Wählerstimme gewinnt.

Das sehen manche in Ihrer Partei aber angesichts der Verluste in Vorarlberg und in den Umfragen ganz anders.

Frauenberger: Schauen Sie sich Vorarlberg an, laut unserer Wählerstromanalyse haben wir kaum Stimmen an die FPÖ wegen unserer Ausländerpolitik verloren. Es war eine Frage der Mobilisierung. Nein, wir müssen klarer sagen, wofür wir stehen. In Wien haben wir nicht nur ein Konzept, sondern auch eine ganz klare Haltung: Wir sehen Integration als Chance. In Österreich wird Integration als Defizit diskutiert, wir haben eine Stimmung, wo es Ängste gibt und wo populistische Worthülsen Straches ihren Boden finden.

Wenn über Jahre Probleme ignoriert werden, sind viele Ängste doch verständlich, oder?

Frauenberger: Gegen das „Ignorieren“ muss ich mich wehren. Natürlich wurde nicht am ersten Tag der Gastarbeiter in Wien mit der Integration begonnen, man dachte, sie würden wieder gehen. Aber es gibt seit 17 Jahren Integrationspolitik in Wien, das ist ein kontinuierlicher Prozess. Heute haben wir ein Konzept, das Integrationsbegleitung durch die Stadt vorsieht. 90 Prozent der Menschen nutzen das auch. Wir müssen die Potenziale der Integration sehen und nicht immer nur die Defizite.

Sie meinen also PR-Kampagnen, in den man einen Attila Dogudan als Vorbild zeigt?

Frauenberger: Man müsste etwa einmal zeigen, wie sich das Bild der Zuwanderer ändert. Wir wissen, dass zwei Dritte der Leute, die heute nach Wien kommen, durchaus qualifiziert sind, Jobs bekommen und Deutsch können. Oder es lernen wollen. Wir können natürlich auch über das andere Drittel reden, aber die anderen, die Mehrheit; wird viel zu oft vergessen. Jedenfalls bekommen alle NeuzuwanderInnen bei uns Unterstützung und Hilfe, sie bekommen einen „Bildungspass“, Sprachgutscheine und so weiter. Dabei brauchen wir keinen Attila Dogudan. Den brauchen wir als Role Model für Junge der zweiten und dritten Generation, die manchmal glauben, sie hätten keine Chance in dieser Stadt.

Sie setzen Integrationsmaßnahmen für neue Zuwanderer, Sie betreuen Frauen mittels Sprachkursen mit dem Programm „Mama lernt Deutsch“. Aber ich muss wieder zu den Defiziten, die es bei einer Gruppe gibt: bei 16- bis 25-jährigen jungen Männern, die in Shoppingcenters schon einmal andere Jugendliche schikanieren. Da passiert sehr wenig.

Frauenberger: Das stimmt so auch nicht, da passiert etwas. Aber vorher eine Klarstellung. Ich bin in einem Simmeringer Gemeindebau aufgewachsen, da gab es zwei Fraktionen unter den Jugendlichen, die am Spielplatz schon einmal um die Geräte stritten. Diese Kämpfe gibt es auch heute. Es gibt Integrationskonflikte, es gibt aber eben auch Konflikte zwischen Generationen oder zwischen Jugendlichen.

Das stimmt schon, aber da kommt oft der Faktor Raub oder Kleinkriminalität dazu.

Frauenberger: Ich will nichts schön reden, Sie haben Recht: Nicht-Schulpflichtige männliche Jugendliche sind für uns ein Problem. Vor allem neue Zuwanderer, die von ihrer alten Heimat schon sozialisiert wurden. Und dann gibt es die, die vor Jahren ohne Ausbildung auf den Arbeitsmarkt gekommen sind. Wir versuchen nun, alle in einer Ausbildungsschiene zu halten. Und in unserem Programm „Start Wien“ werden Deutschkurse von Sozialarbeitern begleitet. Das ist vielleicht kein Allheilmittel, aber ein Ansatz.

Auf einen Blick

Sandra Frauenberger, 43, ist seit 2007 Wiener Integrations- und Frauenstadträtin. Davor war die SP-Politikerin Leiterin der Bundesfrauenabteilung der Gewerkschaft der Privatangestellten, Gemeinderätin und Waff-Chefin (Wiener Arbeitnehmerförderungsfonds). Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2009)

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