Ab März heißt es: Switch!

Das japanische Videospiel-Urgestein Nintendo hat seine kommende Konsole enthüllt: Switch soll das Spielen daheim und das Spielen unterwegs zusammenführen und damit mehrere Gerätekonzepte vereinen. Doch kann man mit diesem Hybrid gegen Smartphones, Tablets und die Virtual-Reality-Headsets ankommen?

Vor gut einer Woche hat es in der digitalen Spielekiste gerappelt: Nintendo hat seine bereits vor einigen Monaten vage angekündigte neue Spielkonsole (siehe „Playing with Power“ im „Spectrum“ vom 1. Oktober 2016) nun mit einem handfesten Präsentationsvideo bestätigt.

Das Gerät wird Nintendo Switch heißen und im März kommenden Jahres erscheinen. Das oder die Switch soll ein sogenanntes Hybridgerät werden, das bedeutet, dass man es sowohl als Standgerät im Wohnzimmer mit Fernseher als auch unterwegs wird spielen können. Möglich machen das modulare Spielsteuergeräte, die man in der Mitte teilen und an zwei verschiedene Einheiten an- und abstecken oder auch frei halten kann. Ist man zuerst noch zu Hause und macht sich dann auf den Weg nach draußen, wechselt man einfach aufs Tablet und spielt gleich weiter.

Bis auf das rund dreieinhalb Minuten lange Video wurde bisher nicht viel bekannt gegeben. Aber allein über das, was man darin sieht, haben sich Experten und Enthusiasten schon innerhalb weniger Stunden in akribischen Analysen ereifert. In dem Werbevideo sieht man Twentysomethings in teuren Wohnungen, beim Basketballspielen und auf der Reise im Flugzeug. Die japanische Videospieltraditionsfirma will damit wohl vermeiden, vorab ins Kinder- und Jugendeck geschoben zu werden, wie es in den vergangenen Jahrzehnten so gut wie immer passiert ist.

Obwohl Nintendo-Geräte und die dazugehörigen Spiele in der Vergangenheit nicht immer nur bunt und jugendfrei gewesen sind, haftet ihnen bis heute eine gewisse Kindlichkeit an. Nun aber führt der junge Mann im Loft seinen Hund aus, während er sein Nintendo Switch dabei hat. In einer anderen Einstellung sieht man eine junge Frau, die bemerkt, dass auf dem gegenüberliegenden Dach eine Rooftop-Party zugange ist. Da muss sie doch gleich hin – aber natürlich nicht ohne ihr neues Switch! Die Darstellerin dieser Szene ist mittlerweile zu einem kleinen Star im Netz mutiert. Sie wurde Karen getauft, obwohl überhaupt nicht klar ist, wie die Frau respektive die Figur heißt, die im Clip zu sehen ist. Egal: Karen wird gefeiert und analysiert. Wie viele Ringe trägt sie? Hat sie eine Perücke auf? Und sieht sie denn nicht, dass hier auf dem Dach getrunken und gefeiert wird und Videospiele eigentlich nicht dazupassen?

Derlei Vermutungen und Mutmaßungen sind natürlich nicht allzu ernst gemeint. Doch die Diskussion über die Coolness von Videospielen im Partykontext interessiert viele. Sie führt zwar eigentlich komplett vom Thema der neuen Nintendo-Konsole weg, ist aber offenbar virulenter, als man glaubt. Verständlich, denn Spielefans kennen das Gefühl, dass ihnen ihr Hobby zwar selbst viel Spaß macht und sie es mit vielen Freunden oder Freundinnen teilen, jedoch ist es meist nicht besonders chic oder lässig, wenn man auf einer Party statt mit Weinflasche mit einerSpielkonsole auftaucht.

Werbeclips wollen solchen Wertigkeiten natürlich trotzen: Sie wollen bestimmte Stimmungen vermitteln und dabei möglichst natürlich wirken. Doch letzten Endes wird dabei eine soziale und gesellschaftliche Utopie gezeigt, in der sich alle überall und immer gut verstehen und sich sämtliche Dinge und Tätigkeiten perfekt ineinanderfügen. So auch Nintendo Switch beziehungsweise seine Besitzer und Besitzerinnen sowie ihre Umwelt: Es gibt, so soll insinuiert werden, keine Situation, in der es unpassend, unpraktisch oder unmöglich wäre, auf der Konsole zu spielen. Damit wird zugleich eine Vielseitigkeit des Geräts gepriesen, die auf dem Videospielmarkt so derzeit nicht vorhanden ist.

Will man umfangreiche Games spielen, benötigt man eine Standkonsole wie Xbox One oder Playstation 4. Für unterwegs hat man hingegen etwa das Nintendo 3DS oder – seit ein paar Jahren omnipräsent – ein Smartphone oder Tablet. Nach dem mäßigen Erfolg des aktuellen Nintendo-Standgeräts Wii U möchte der japanische Konzern nun wieder mit einer Innovation auf sich aufmerksam machen und versucht den Spagat zwischen den zwei Videospielorten: daheim und unterwegs.

Ob dieser Hybrid – auch mithilfe hipper junger Darsteller – erfolgreich werden wird, darf ziemlich bezweifelt werden. In beiden Bereichen ist die Konkurrenz nämlich jetzt schon weiter, als es Nintendo im März des kommenden Jahres sein wird.

Moderne Schweizer Taschenmesser

Für unterwegs sind Smartphones und Tablets als moderne Schweizer Taschenmesser mittlerweile schwer zu übertrumpfen: Damit wird telefoniert, geschrieben, gespielt, aufgenommen und so weiter. Es gibt quasi für alles eine App. Und daheim, dort kennt man in Sachen Videospiele dieses Jahr vor allem ein Thema: Virtual Reality.

Mittlerweile sind die drei wichtigsten VR-Headsets auf dem Markt: Oculus Rift,HTC Vive und Playstation VR. Nintendo, vor 20 Jahren noch Innovator mit dem damals leider gescheiterten Virtual Boy, hat bei der gegenwärtig stattfindenden Virtual-Reality-Revolution nichts anzubieten. Natürlich könnte man es auch anerkennen, dass sich die Firma hier nicht opportunistisch dem Markt anbiedert und einmal mehr ein VR-Headset auf den Markt gebracht wird. Andererseits ist die Technologie erst seit Kurzem marktreif – Innovationen und unkonventionelle Ansätze sind in diesem Feld gefragt und gewünscht. Nintendo hätte mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung bestimmt kompetent mitmischen und sein ganz eigenes Ding machen können.

Im kommenden März heißt es aber erst einmal: Switch! Boshafte Zungen haben bereits stichelnd moniert, dass der Begriff im Englischen etwas zweideutig sei. Auch der Name Wii erinnert an ein bestimmtes Wort, das man genauso ausspricht, aber etwas anders schreibt. Sei's drum: Man ist so schlecht,wie man denkt.

Für Nintendo zählt letztlich nur, wie überzeugend die Firma das Konzept der neuen Konsole über die kommenden Monate hinweg wird kommunizieren können. In diesem Weihnachtsgeschäft wird sich das japanische Spielehaus aber vorerst in Geduld und Bescheidenheit üben müssen. Denn unter den diesjährigen Christbäumen werden im Dezember vor allem schwarze, futuristische Headsets liegen und ausnahmsweise weniger verspielte Nintendo-Produkte. Doch vielleicht ist es ein Jahr später wieder umgekehrt. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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