G20: Dampfplaudern in Pittsburgh

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Lösungen sind auf den zahllosen Gipfeln der Staatslenker Mangelware. Die Vertreter der G20 unterhielten sich in den USA prächtig über die Schwächen des Marktes - wodurch die eigenen Fehler leider zu kurz kamen.

An Ambition fehlt es Staatslenkern ja eher selten, wenn sie in entlegenen Orten zur Lösung globaler Krisen antreten. Und die zahllosen Gipfel (Klimagipfel, Nahost-Gipfel, Finanzgipfel, G8-Gipfel bis zum G20-Gipfel) beweisen, dass jede Menge Arbeit auf Erledigung wartet. Nur Lösungen sind Mangelware, wie auch das Treffen der Chefs der 20 größten Wirtschaftsmächte in Pittsburgh gezeigt hat. Abgesehen von einer zarten Beschränkung der Bankerboni wurde das weltweite Publikum außerhalb von Pittsburgh mit unverständlichen Worthülsen abgefertigt. Höchste Zeit, ein wenig bei der Übersetzung zu helfen.


„Keine Bank darf so groß sein, dass sie wieder Staaten erpressen kann.“(Angela Merkel) Wie recht die deutsche Kanzlerin doch hat. Doch weder sie noch einer ihrer 19Kollegen lieferte Antworten, wie das zu machen wäre. Die Wahrheit ist, dass Banken die Allgemeinheit künftig stärker erpressen werden als je zuvor. Nach dem Bankrott von Lehman Brothers wird es kein Politiker mehr wagen, eine Bank an die Wand fahren zu lassen. Dass die US-Regierung Lehman Brothers vor einem Jahr in die Pleite schickte, wurde ja allerorts als „Jahrhundertfehler“ gebrandmarkt. Fälschlicherweise.

Der „Jahrhundertfehler“ liegt nämlich darin, dass die Staaten angeschlagene Banken zum wiederholten Male mit Haut und Haaren vor dem Untergang bewahrt haben – statt die Hülle zu retten bzw. das Institut zu übernehmen und den offenbar zu nachlässigen Eigentümern den Verlust ihrer Investition zuzumuten. Mit staatlichen Hilfen geben Regierungen nicht nur Aktionären, sondern auch Bankmanagern ein fatales Signal: „Keine Sorge, so lange die Bank nur groß genug ist, wird die Allgemeinheit für derbe Managementfehler geradestehen.“ Dieser staatliche Blankoscheck verhindert keine Krise, er beschwört die nächste geradezu herauf.


„Die Blutung zu stoppen ist bei Weitem nicht genug.“ US-Präsident Barack Obama fordert mehr Regeln für die globalen Finanzmärkte, um Krisen zu verhindern. Und tut damit so, als wäre es bislang Aufgabe der Banken gewesen, sich selbst auf die Finger zu klopfen. Dabei waren es staatliche Behörden, die in aller Herren Länder Produkte zum Verkauf zuließen, die kein Mensch verstand. Am wenigsten die staatlichen Kontrollore selbst. Eine effizientere Finanzpolizei ist zu begrüßen. Gut bezahlte Profis statt überforderter Uni-Absolventen wären ein passabler Anfang – arbeitslose Investmentbanker gibt es ja jede Menge. Just do it!


„Es kann nicht so weitergehen, dass China und Deutschland uns alles verkaufen, wir ihnen aber gar nichts.“ Barack Obama zweifelt an der Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft und bereitet die übermächtige Konkurrenz auf die Einführung von Zöllen vor. Zudem sollen Berlin und Peking dafür sorgen, dass chinesische und deutsche Unternehmen ihre Ausfuhren drosseln. In den dunklen Zeiten des Kalten Krieges nannte man derartige Vorschläge noch ordinär „Planwirtschaft“. Heute versteht man darunter eine Art Weltwirtschaftsrat, der alle Probleme im Konsens löst. Eine internationale Sozialpartnerschaft nach rot-weiß-rotem Muster. Toll: Barack Leitl und Jintao Foglar glätten Handelsbilanzen, um die Weltwirtschaft stabil zu halten.

„Wir dürfen das Wasser noch nicht wegwischen. Das Feuer brennt noch.“(Dominique Strauss-Kahn, IWF-Chef) Die Staaten müssten weiter Geld in die Wirtschaft pumpen, um die Krise zu meistern. Vermutlich wäre es an der Zeit, die Augen der Regierungschefs auf einen anderen, lichterloh brennenden Hut zu lenken: jenen, der auf ihren Köpfen ruht. Folgen den staatlichen Ausgaben nicht bald eiserne Sparpakete, wächst sich die weltweite Finanzkrise zur Staatsfinanzierungskrise aus.

„Die Verursacher der Krise müssen zu ihrer Bewältigung herangezogen werden.“ (Frank-Walter Steinmeier, Außenminister) Stimmt. Allerdings meint der deutsche Kanzlerkandidat, dass nur Banken und vermögende Anleger zur Kasse gebeten werden sollten. Leider „vergisst“ er andere Hauptangeklagte. Die Administration Clinton zum Beispiel, die jedem US-Bürger das Recht auf einen Kredit für ein Eigenheim einräumte – selbst, wenn Kreditsuchende keinen Cent Eigenkapital besaßen.

Oder die US-Notenbank Fed, die nach den Anschlägen vom 11.September die Märkte auf Druck der Regierung George W. Bush mit billigem Geld überschwemmte, um so die schwächelnde Wirtschaft am Laufen zu halten. Gleichzeitig wurden die Zinsen gesenkt (um Firmen und Privaten zu günstigen Krediten zu verhelfen). Dadurch wurden US-Staatspapiere für Investoren immer uninteressanter. Also suchte das munter ins Land strömende Geld nach Anlagen mit höheren Renditen – und wurde in US-Immobilien fündig, wodurch sich die riesige Blase überhaupt erst bilden konnte.

In Pittsburgh fehlte vermutlich die Zeit, über derartige Fehler zu sprechen. Na ja, vielleicht beim nächsten Mal.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2009)

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