Ein Drittel des Bankensektors ist unfähig zu nachhaltigen Profiten

Viele Banken in Europa sind strukturell nicht zu Gewinnen fähig.
Viele Banken in Europa sind strukturell nicht zu Gewinnen fähig.(c) APA /Georg Hochmuth
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Europas Banken müssten über ihren eigenen Schatten springen um dem Kontinent einen nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Finanzsektor zu bescheren.

Die Multi-Milliarden-Dollar-Strafe, die die US-Regierung kürzlich der Deutschen Bank für den illegalen Verkauf von Hypothekenpapieren in den Vereinigten Staaten auferlegt hat, hat das Vertrauen in die Europäische Union nicht gerade gefördert. Die EU bleibt weiterhin von langsamem Wirtschaftswachstum, hoher Arbeitslosigkeit, Einwanderungsproblemen und wachsender Unsicherheit geplagt. Allerdings hat der Skandal um die Deutsche Bank ein Licht auf eine letzte Möglichkeit – eine Art „Verzweiflungstat“ – geworfen, die das europäische Projekt möglicherweise noch retten könnte.

Obwohl die Eurozone 20% des weltweiten BIP auf sich vereint, hat sie nicht eine einzige Bank oder Finanzgesellschaft unter den ersten Zehn der globalen FT-500-Rangliste. Die Auswirkungen eines derart fragmentierten und verletzlichen Bankensystems zeigen sich in der relativ schwachen Leistung Europas in anderen Sektoren wie Technologie und Energie, die für die Zukunft der EU-Mitglieder von entscheidender Bedeutung sind.

„Zombie-Banken“ als Gefahr

Europa mangelt es nicht an Banken: Deutschland hat mehr als 1.500 und Italien über 600 von ihnen. Aber die meisten sind so genannte „Zombie-Banken“ mit zu vielen Filialen und zu wenig Einlagen. Und ihre Finanzierungskosten liegen deutlich über denjenigen ihrer erfolgreicheren Mitbewerber.
In der Tat ist nach Angaben des Internationalen Währungsfonds etwa ein Drittel des europäischen Bankensektors, das über Anlagen in Höhe von 7.5 Billionen Euro verfügt, schwach und unfähig, nachhaltige Profite zu erzielen. All dies erzeugt erhebliche Abwärtsrisiken für die EU-Wirtschaft und letztlich für das gesamte politische Experiment Europas.
Laut Schätzungen des IWF müssten, um das europäische Bankensystem wieder zu stabilisieren, mindestens ein Drittel der dortigen Banken schließen oder fusionieren. Auch im Fall der Deutschen Bank scheinen die Marktteilnehmer bereits auf eine Fusion zu spekulieren, möglicherweise mit der Commerzbank.

Dambisa Moyo ist Ökonomin und Autorin und Vorstandsmitglied mehrerer globaler Konzerne.
Dambisa Moyo ist Ökonomin und Autorin und Vorstandsmitglied mehrerer globaler Konzerne.Project Syndicate

Soll eine solche Fusion aber der erste Schritt zu einer Konsolidierung des europäischen Bankensektors sein und die EU stärken, muss sie grenzübergreifend stattfinden, also die Deutsche Bank mit einer wichtigen französischen und/oder italienischen Bank verbinden. Ein solcher Ansatz könnte die politische Glaubwürdigkeit der EU entscheidend verbessern, was wahrscheinlich die wichtigste Voraussetzung dafür ist, den europäischen Traum am Leben zu erhalten.
Eine grenzübergreifende europäische Bankenfusion hätte mehrere Vorteile. Wie jede Fusion würde auch diese dazu führen, dass schwache, wenig leistungsfähige Banken ihre Bilanzen stärken, faule Kredite – die mit schätzungsweise einer Billion Euro etwa dreimal höher sind als in anderen globalen Rechtssystemen – umstrukturieren und damit der allgemeinen Wirtschaft helfen könnten.

Eine europäische Vorzeigebank

Noch effektiver könnte eine grenzübergreifende Fusion, die eine Art europäische Superbank hervorbringen würde, dauerhafte operative Probleme lösen (die insbesondere die Liquidität und das Kapital betreffen). Und noch wichtiger ist, dass eine solche Art finanzieller Umstrukturierung Kreditkanäle öffnen würde, die entscheidend für die Finanzierung von Investitionen sind und das Wirtschaftswachstum ankurbeln.
Durch eine grenzübergreifende europäische Fusion würde auch eine Schlüsselregion der Welt eine Bank bekommen, die ihrer globalen Bedeutung entspricht. Ein europäische Vorzeigebank wäre global viel wettbewerbsfähiger und könnte der Macht der dominanten amerikanischen Banken etwas entgegensetzen.

Heute ist die Gründung einer solchen Institution angesichts dessen, dass viele Länder in aller Welt wirtschaftliche Offenheit gegen protektionistische Politik und balkanisierte Regulierung eintauschen, besonders dringend. In einer fragmentierteren und weniger globalisierten Welt, in der die grenzüberschreitenden Kapitalflüsse zurückgehen – laut einem Bericht des Instituts für Internationale Finanzen waren die Nettokapitalflüsse für Entwicklungs- und Schwellenländer im letzten Jahr erstmals seit 1988 negativ – muss die europäische Bankeninfrastruktur breiter und tiefer werden, um wachsen zu können.

Ein Zeichen setzen

Der dritte – und vielleicht wichtigste – Grund, warum grenzübergreifende Fusionen der Schlüssel zur Rettung des europäischen Bankensektors sein könnte, liegt darin, dass sie sowohl den Marktteilnehmern als auch den europäischen Bürgern signalisieren würde, dass sich die Politiker der europäischen Integration verpflichtet fühlen. Erneut wird dabei die Bedeutung einer solchen Aktion durch das momentane politische und wirtschaftliche Umfeld noch verstärkt. Der Fortschritt bei der Integration der Staatshaushalte ist zum Erliegen gekommen. Oft werden nationale Interessen gegenüber der Zusammenarbeit in den Vordergrund gestellt. Und Großbritannien ist dabei, seinen Weg aus der EU heraus zu verhandeln – eine Entscheidung, die durchaus als Anklage gegen das momentane europäische Integrationsmodell verstanden werden kann.
Aus der Perspektive der Finanzmärkte und Investoren würde eine grenzübergreifende Fusion optimistisch stimmen und das Vertrauen stärken. Sogar für die normalen Bürger wäre jegliches Anzeichen dafür, dass die EU nicht einfach nur auseinanderfällt, vorteilhaft, da es ihnen in einem höchst unsicheren Umfeld ein Gefühl von Sicherheit geben würde.

Natürlich ist eine grenzübergreifende Fusion ein radikaler Vorschlag. Der dazu nötige politische Wille wird nicht leicht aufzubringen sein.
Aber keine mutige Aktion ist hundertprozentig sicher. Die Wahrheit ist, dass die EU ohne glaubwürdige und transparente Anzeichen für eine Vertiefung der Beziehungen – nicht nur in Haushaltsangelegenheiten, sondern auch im Unternehmens- und Finanzbereich (dem Rückgrat einer modernen Wirtschaft) – eine locker verbundene und nicht besonders verlässliche Ansammlung von Staaten bleiben wird. Wie wir in den letzten Jahren gesehen haben, können die wirtschaftlichen Nöte dieser Länder durch eine solche Konstruktion nicht gelöst werden.

Man könnte argumentieren, dass momentan nicht die Zeit dafür ist, größere Integration anzustreben. Vielleicht ist die Lage zu fragil und die Opposition aus der Bevölkerung zu stark. Gäbe es wenigstens mittelmäßiges Wachstum, könnten Skeptiker einwenden, wäre die politische Landschaft für so etwas deutlich empfänglicher. Aber die lockere Struktur der EU wird nicht halten. Wird nicht bald entschieden gehandelt, werden sich die Gräben weiter öffnen. Die politische Spaltung wird immer stärker werden und letztlich das gesamte europäische Projekt zu Scheitern bringen.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Copyright: Project Syndicate, 2016

(Project Syndicate)

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