Die regierungskritische türkische Zeitung gibt sich nach der Verhaftung von 13 Mitarbeitern kämpferisch. "Noch ein Schlag gegen die Pressefreiheit“, verurteilt die verbliebene Redaktion das Vorgehen der Behörden.
Wo in der Dienstagsausgabe der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ die Kolumnen von Hikmet Cetinkaya und Kadri Gürsel hätten stehen sollen, erschienen diesmal nur weiße Flächen. Cetinkaya und Gürsel waren am Montag verhaftet worden, genauso wie der Chefredakteur der Zeitung, Murat Sabuncu, und zehn weitere Mitarbeiter. In der Dienstagsausgabe, die zur Hälfte den Festnahmen vom Vortag und den damit verbundenen Protesten in zahlreichen Städten gewidmet war, gibt sich die verbliebene Belegschaft kämpferisch: „Wir geben nicht auf“, prangt als Schlagzeile auf der Titelseite, daneben steht in weißer Schrift auf schwarzem Grund: „Noch ein Schlag gegen die Pressefreiheit.“ Oder, in einer anderen Bedeutung des türkischen Worts „darbe“: „Noch ein Putsch“.
Die Staatsanwaltschaft, die die Verhaftungen angeordnet hat, wirft dem Blatt vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Bewegung von Fetullah Gülen, der für den Putschversuch gegen Präsident Erdogan im Juli verantwortlich gemacht wird, unterstützt zu haben. Beide sind in der Türkei als terroristische Organisationen eingestuft. „Cumhuriyet“ weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet die Festnahmen als „inakzeptabel und rechtswidrig“. Der ehemalige Chefredakteur der Zeitung, Can Dündar, der im vergangenen Jahr nach brisanten Enthüllungen zu langen Haftstrafen verurteilt wurde und nun im Exil in Deutschland lebt, verurteilte die Festnahmen ebenfalls: "Sie greifen die letzte Festung an", schrieb er auf Twitter. Auch Dündars Haus in Istanbul sei laut "Cumhuriyet" durchsucht, er selbst zur Fahndung ausgeschrieben worden.
„Werden Kampf bis zum Ende fortsetzen“
Scharfe Kritik kam auch von türkischen Oppositionsparteien, Presseverbänden, Menschenrechtsorganisationen und ausländischen Politikern. Mit dem Vorgehen sei eine „eine weitere rote Linie“ überschritten, sagte etwa der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz; „Ihr habt uns nichts über Pressefreiheit beizubringen“, antwortete der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım. „Die Schikanen gegen Cumhuriyet und pro-kurdische Zeitungen sind ein eindeutiges Zeichen für die Geringschätzung der türkischen Regierung für abweichende Meinungen“, heißt es in einer Erklärung von Reporter ohne Grenzen. Die Organisation stufte die Türkei auf ihrer Rangliste der Pressefreiheit schon vor dem Putsch auf Rang 151 von 180 ein. Seit dem Putsch seien laut dem türkischen Journalistenverband 170 Medien geschlossen worden, 2500 Journalisten seien arbeitslos.
„Cumhuriyet“, eine der ältesten Tageszeitungen der Türkei, gilt als die wichtigste regierungskritische Zeitung, die es noch gibt. Im Vorjahr wurde sie von Reporter ohne Grenzen als Medium des Jahres ausgezeichnet, erst im September bekam sie den als „alternativen Nobelpreis“ bezeichneten Right Livelihood Award – „für ihren unerschrockenen investigativen Journalismus und ihr bedingungsloses Bekenntnis zur Meinungsfreiheit trotz Unterdrückung, Zensur, Gefängnis und Morddrohungen“. Unerschrocken und bedingungslos will die Redaktion auch weitermachen: „Selbst wenn Cumhuriyets Geschäftsführer und Autoren verhaftet sind, wird unsere Zeitung seinen Kampf für Freiheit und Demokratie bis zum Ende fortsetzen“, heißt es im Leitartikel vom Dienstag.