Gewerbeordnung: Ringen bis zur letzten Minute

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SPÖ und ÖVP verhandelten auch am Allerheiligentag über die Gewerbeordnung. In der SPÖ fliegen die Fetzen. Der oberste Baugewerkschafter, Josef Muchitsch (SPÖ), greift die SPÖ-Parteispitze an.

Wien. Die Stimmung zwischen SPÖ und ÖVP ist wieder angespannt. Anlass dafür ist die Reform der Gewerbeordnung. Die Regierung wollte bis zum heutigen Mittwoch eine Reform präsentieren. Doch am Dienstagnachmittag war unklar, ob es dazu kommen wird. Dem Vernehmen nach wurde den ganzen Feiertag verhandelt.

In SPÖ-Kreisen wird kritisiert, dass der Entwurf von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) spät eingelangt sei. Zudem beklagt die SPÖ, dass in dem Entwurf Punkte nicht enthalten seien, auf die man sich schon im Juli geeinigt habe. Bei dem Konflikt geht es im Wesentlichen um die 80 reglementierten Gewerbe. Dazu gehören Bodenleger und Fremdenführer. Wer sich hier selbstständig machen möchte, muss eine Meisterprüfung oder einen vergleichbaren Befähigungsnachweis vorlegen.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder verlangt eine Halbierung der 80 reglementierten Gewerbe. Weiters will die SPÖ-Parteispitze den Zugang zu freien Berufen wie Notaren und Apothekern erleichtern. Doch die ÖVP steht auf der Bremse. Auch innerhalb der SPÖ fliegen die Fetzen. Am Montag erschien in der „Kronen Zeitung“ ein ganzseitiges Inserat. Dort wurde vor einer unüberlegten und über das Ziel hinausgehenden Reform der Gewerbeordnung gewarnt, mit dem Argument, ein solcher Schritt würde Zehntausende Arbeitsplätze gefährden. In dem Inserat kamen unter anderem der oberste Baugewerkschafter, Josef Muchitsch (SPÖ), und Metallergewerkschafter Rainer Wimmer (SPÖ) zu Wort.

Am Dienstag räumte Muchitsch in der „Kleinen Zeitung“ ein, dass die Wirtschaftskammer das Inserat finanziert habe. Muchitsch goss weiteres Öl ins Feuer und ging auf Konfrontationskurs zur SPÖ-Parteispitze: „Es kann doch nicht sein, dass man mit dem Taschenrechner die Gewerbeordnung reformiert und vom Schreibtisch aus irgendwelche Vorgaben fixiert. Das sollte man doch den Experten und Praktikern überlassen.“ Die Reform der reglementierten Gewerbe gilt als das Herzstück einer neuen Gewerbeordnung.

Wäschebügeln wird „frei“

Bei weniger wichtigen Punkten sind sich SPÖ und ÖVP laut „Presse“-Informationen weitgehend einig. So soll die Teilgewerbe-Ordnung aufgehoben werden. 19 von 21 reglementierten Teilgewerben sollen freigegeben werden. Dazu gehören Wäschebügeln, Zusammenbau von Möbelbausätzen, Friedhofsgärtnerei, Modellieren von Fingernägeln und Fahrradtechnik. Nur zwei Teilgewerbe sollen reglementiert werden.

Ob eines davon, der Huf- und Klauenbeschlag, formal ein eigenes Gewerbe oder einfach bei einem anderen bestehenden Gewerbe angehängt werden soll, war am Dienstag offen. Der Erdbau hingegen soll dem bestehenden Baumeister-Gewerbe zugeschlagen werden. Einig sind sich SPÖ und ÖVP darin, dass Gewerbeanmeldungen kostenlos beziehungsweise von Gebühren und Verwaltungsabgaben befreit werden sollen. Im Entwurf von Wirtschaftsminister Mitterlehner ist zudem vorgesehen, dass der Gewerbeumfang bei den sogenannten Nebenrechten auf 15 Prozent erhöht werden soll. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Tischler auch mit Arbeiten wie Fliesenlegen bis zu 15 Prozent seines Umsatzes machen darf. Bislang waren hier zehn Prozent erlaubt.

Entgegen ursprünglichen Plänen soll es keinen einheitlichen Gewerbeschein für die rund 440 freien Gewerbe geben. Gegen einen einheitlichen Gewerbeschein legte sich dem Vernehmen nach die Wirtschaftskammer quer. Denn viele Unternehmer haben mehrere Gewerbescheine und müssen für jeden Schein die Kammerumlage zahlen. Jedes fünfte Kammermitglied zahlt doppelt, 25.000 der 500.000 sogar dreifach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2016)

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