FC China: Fußball als Pflichtfach

Ex-Profi David Beckham ist Botschafter der Luneng Group (Besitzerin des Klubs Shandong Luneng) und leistet Schützenhilfe für Chinas Fußball-Masterplan.
Ex-Profi David Beckham ist Botschafter der Luneng Group (Besitzerin des Klubs Shandong Luneng) und leistet Schützenhilfe für Chinas Fußball-Masterplan.(c) REUTERS
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China schickt sich an, zur neuen Fußballmacht zu werden. Der Staatsrat hat einen 50-Punkte-Plan verabschiedet, die Staatskonzerne gehen groß auf Einkaufstour – auch in Manchester, Madrid, Mailand oder Barcelona.

Peking/Manchester. Seinen 60. Geburtstag am 15. Juni 2013 wird Xi Jinping wohl nicht vergessen. Nicht nur, weil es der erste Geburtstag im Amt als chinesischer Staatspräsident war. Sondern weil es auch ein denkwürdiger Fußballabend war: Chinas Nationalmannschaft verlor mit 1:5 gegen Thailand. Xi musste in der Loge mitansehen, wie Chinas Abwehr unterging, diese Schmach sollte sich nicht wiederholen. Also tat sich der Staatschef, selbst ein großer Fußballfan, mit seinem Beraterstab zusammen und fasste einen ambitionierten Masterplan. China soll sich für die WM qualifizieren, das Turnier ins Land holen und die WM gewinnen.

Um dieses Ziel zu erreichen, setzt das Regime nun alle Hebel in Bewegung. Im März 2015 hat der Staatsrat einen 50-Punkte-Plan verabschiedet. Bis 2017 sollen 20.000 Grund- und Mittelschulen zu Fußballschwerpunktschulen ausgebaut werden, Fußball als Pflichtfach eingeführt, 100.000 Talente ausgebildet werden. Prominente Schützenhilfe leistete David Beckham, der an einer Pekinger Schule unter dem Jubel der Kinder gegen den Ball trat.

1,3 Milliarden potenzielle Fans

Flankiert wird diese Nachwuchsförderung von einem beispiellosen Investitionsprogramm. Jack Ma, der reichste Chinese und Gründer des Onlineriesen Alibaba, hat 2014 für 192 Millionen Dollar 50 Prozent an Guangzhou Evergrande übernommen. Der Klub, der derzeit vom brasilianischen Starcoach Luiz Felipe Scolari trainiert wird, gehört zu einem der erfolgreichsten Teams in Asien. In diesem Jahr gewann der Verein zum sechsten Mal in Folge die Meisterschaft. Guangzhou verpflichtete im Februar für 42 Millionen Euro Stürmer Jackson Martinez von Atlético Madrid. Und auch weitere chinesische Klubs sind im Kaufrausch. Im Sommer wechselte der Brasilianer Hulk für die Rekordablöse von 56 Millionen Euro von St. Petersburg zu Shanghai SIPG. So viel kostete noch kein Spieler in Asien.

Doch nicht nur im Inland, auch im Ausland gehen Chinas Investoren auf Einkaufstour. AC Milan, Inter Mailand, Manchester City, Aston Villa, Birmingham City, Wolverhampton Wanderers, West Bromwich Albion, Espanyol Barcelona, Atlético Madrid, Granada FC, FC Sochaux-Montbéliard, OGC Nizza, Olympique Lyon, Ado Den Haag, Slavia Prag – halb Fußball-Europa befindet sich im Besitz chinesischer Konsortien. Einige dieser Investoren, wie der Immobilienkonzern Dalian Wanda (Atlético Madrid) oder Fosun International (Wolverhampton), sind wohlbekannt und mit Chinas Führungsclique verbandelt. Andere wie Tony Xia, Aston Villas neuer Eigentümer, der eine verlustreiche Firma von Nahrungsergänzungsmitteln leitet, sind selbst im Reich der Mitte ein unbeschriebenes Blatt.

Zwei Milliarden Dollar haben chinesische Investoren allein heuer in europäische Klubs investiert. Die Konsortien erwerben die Vereine freilich nicht als Spielzeug, wie das etwa Chelseas Mäzen Roman Abramowitsch getan hat, sondern als langfristiges Investment. Die Wanda Group, die für 52 Millionen Dollar 20 Prozent der Anteile von Atlético Madrid erwarb, hatte zuvor die Mehrheit am Schweizer Vermarktungsunternehmen Infront übernommen, das von Philippe Blatter, dem Neffen des geschassten Fifa-Chefs Sepp Blatter, geführt wird. Das Konsortium China Media Capital, das für 400 Millionen Dollar 13 Prozent der Anteile von Manchester City kaufte, sicherte sich die Übertragungsrechte an der Chinese Super League. Die Investoren wollen zudem die europäischen Ligen, allen voran die Champions League, im Inland vermarkten. Es warten 1,3 Milliarden potenzielle TV-Zuschauer, ein lukratives Geschäft.

Die Wanda Group plant nach Informationen der „Financial Times“ sogar, einen Konkurrenzwettbewerb zur Champions League zu etablieren. Nur die attraktivsten Teams sollen teilnehmen, der spanische Liga-Boss Javier Tebas soll bereits seine Zustimmung signalisiert haben. Die Uefa, die mit ihrer Superliga eigene Pläne verfolgt, will von dem Vorhaben freilich nichts wissen. Doch es gilt: Wer bezahlt, bestimmt.

Dass Chinas Offensive auch befremdend anmuten kann, zeigt ein Beispiel. Beim Sponsoring der zweiten portugiesischen Liga durch die LED-Manufaktur Ledman haben sich die Investoren eine Sonderklausel ausbedungen: Ab 2018 muss jeder portugiesische Zweitligaklub aus den Top Ten mindestens einen chinesischen Spieler im Kader haben. Ledman wird zudem drei Assistenztrainer in die Liga entsenden. Der Deal wurde von der Spielergewerkschaft scharf kritisiert, doch die Regelung ermöglicht es China, Talente in Europa zu parken und Nachwuchstrainern Praxiserfahrung zu gewähren. Vielleicht hat Xi Jinping bei seinem nächsten Geburtstag bereits mehr zu lachen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2016)

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