Die Garantien für Nissan nach dem Brexit-Votum könnten für die britische Regierung teuer werden. Begehrlichkeiten weiterer Autobauer wachsen.
Die britische Premierministerin Theresa May feierte erst kürzlich die Ankündigung des japanischen Autobauers, trotz des geplanten EU-Austritts an den Neuinvestitionen auf der Insel festzuhalten, als wegweisenden Vertrauensbeweis für den Standort. Um Nissan zu halten, sagte der Staat Hilfen zu, falls die Wettbewerbsfähigkeit des Werkes in Sunderland infolge des Referendums vom Juni leiden sollte. Doch das legt einen beträchtlichen Bedarf an Steuergeldern nahe. Denn sollte nach einem Brexit der volle EU-Importzoll von zehn Prozent für die Einfuhr von Autos fällig werden, drohen den Herstellern in Großbritannien Kosten über eine Milliarde Pfund.
Zollersatz höher als Personalkosten
Nissan-Chef Carlos Ghosn hatte im September unverhohlen klar gemacht, dass weitere Investitionen in Großbritannien nur bei der Zusage eines Ausgleichs für solche Zölle infrage kämen. Bei dem Autobauer wäre demnach auf Basis der Vorjahreszahlen eine Kompensation von 290 Millionen Pfund nötig. Zwar sind die Details der Einigung zwischen dem Autobauer und Großbritannien unbekannt. Und die Regierung betonte, dass Nissan keine Staatshilfen und die Automobilbranche keine Sonderbehandlung erhalte. Doch sollte diese Summe fällig werden, würde sie die Lohnrechnung bei Nissan von 2015 für die mehr als 7200 Mitarbeiter in Großbritannien übersteigen. Das könnte ähnliche Begehrlichkeiten bei den anderen Herstellern im Vereinigten Königreich wecken.
Auch bei den japanischen Autobauern Toyota und Honda, sowie den traditionsreichen britischen Herstellern, Mini und Rolls-Royce, die beide zu BMW gehören, der Luxus-Marke Bentley aus dem Volkswagen -Konzern sowie der James-Bond-Marke Aston Martin würden Entschädigungen für die Zölle über den Lohnkosten liegen. Nach Reuters-Berechnungen belaufen sich die britischen Auto-Exporte in die EU auf rund zehn Milliarden Pfund. Das sind 40 Prozent aller britischen Auto-Ausfuhren.
Londons Milliarden-Risiko
Zwar betont die Regierung immer wieder, dass sie den Handel nach einem EU-Austritt ohne Zölle und Bürokratie in beide Richtungen erhalten wolle. Dies ist aber alles andere als gesichert. Denn der britische Zugang zum europäischen Markt nach einem Brexit steht infrage, weil die Regierung die Freizügigkeit von Personen einschränken will. Dagegen beharren andere EU-Staaten auf dem Standpunkt, dass es von dem Prinzip keine Ausnahmen geben dürfe. Auch Autobauer wie Volkswagen und Daimler dringen darauf.
Sollte die Regierung die Unternehmen auf Basis dieser Zahlen entschädigen, wären es die bislang größten Subventionen für die britische Industrie, sagte Experte Kevin Farnsworth von der Universität von York. "Eine Subvention dieser Größe wäre gewaltig", sagte er.
Auch der Kursverfall des britischen Pfund nach dem Brexit-Votum dürfte den Herstellern auf der Insel kaum Erleichterung bringen. Da die meisten Komponenten und Rohstoffe nicht von lokalen Zulieferern stammen, sondern auf die Insel eingeführt werden müssen, profitieren die Unternehmen nur geringfügig von den günstigeren Umrechnungskursen.
(Reuters)