Neues Powerpaar für Salzburgs „Jedermann“

PK SALZBURGER FESTSPIELE ´DER JEDERMANN UND SEINE BUHLSCHAFT´: TOBIAS MORETTI/ STEFANIE REINSPERGER
PK SALZBURGER FESTSPIELE ´DER JEDERMANN UND SEINE BUHLSCHAFT´: TOBIAS MORETTI/ STEFANIE REINSPERGER(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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„Man kann nicht herumdeklamieren!“ Tobias Moretti und Stefanie Reinsperger sollen neue Akzente auf dem Domplatz setzen und haben sich in Wien vorgestellt. Brian Mertes und Julian Crouch überarbeiten für 2017 ihre Inszenierung.

Ein düsteres Omen: Im Salon Mayerling des Hotel Sacher musste Tobias Moretti am Donnerstagvormittag auf seinen Auftritt warten. Der Schauspielstar ließ denn auch einen Toten „herzlich grüßen“. Nein, nicht Kronprinz Rudolf, sondern Helmuth Lohner, Ehemann der „Frau Sacher“, Elisabeth Gürtler. Lohner (1933–2015) war ein berühmter Darsteller auf dem Salzburger Domplatz. Die Vorstellung des neuen „Jedermann“-Teams entbehrte nicht der Skurrilitäten. Schon Donnerstagfrüh war allein die Pressekonferenz, die gleichzeitig der erste Auftritt des neuen Intendanten der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, und seiner Schauspieldirektorin, Bettina Hering, in Wien war, eine Spitzenmeldung im ORF.

Die Überraschung hielt sich freilich in Grenzen. Es war eher die Frage, ob sich der viel geforderte Moretti die Strapaze, die mit der neuen Inszenierung gewachsen ist, antun würde. Reinsperger hat einen witzigen Akzent gesetzt, sie hätte eigentlich lieber selbst Jedermann gespielt, deutet sie an; auf dem Domplatz hat sie den berühmten Schrei aus dem Jenseits nach dem reichen Mann probiert, um zu erleben, wie sich das anfühle.

Kurze Bedenkzeit für die Buhlschaft

Moretti selbst stellte seine Buhlschaft als eine „Wucht an schauspielerischer Kraft und Sinnlichkeit“ vor. Der 1988 geborenen Badenerin, die während der vergangenen Jahre in der Burg und im Volkstheater großen Erfolg hatte und einen neuen Typus des unbändigen, starken Mädchens prägte, waren, wie sie bekannte, nach dem Anruf der Festspiele erst einmal die Knie „sehr, sehr weich geworden“, und sie erbat sich einen Tag Bedenkzeit. Nicht einmal ihren Eltern durfte sie die neue Rolle verraten. Doch man muss auch die Kirche im Dorf lassen. Dafür sorgte Moretti.

Den Teufel hat er schon gespielt sowie den diesem verwandten guten Gesellen. Auch der Jedermann wurde ihm mehrfach angeboten, jetzt hat er sich entschlossen, obwohl es nicht mehr so sei, dass die Rolle „wie in den 1960er- und 1970er-Jahren automatisch der Höhepunkt in einer schauspielerischen Karriere“ sei. Man merkt bei Moretti, dass er inzwischen Erfahrungen als Regisseur gesammelt hat, wenn er Figuren oder Stoffe analysiert: Der Jedermann ist für ihn so etwas wie ein umgekehrter Don Giovanni, die Mozart-Oper hat Moretti in Bregenz inszeniert. „Es muss so etwas wie einen Erkenntnisgewinn geben. Man kann nicht herumdeklamieren,“ so Moretti. 1911 wurde das Stück im Berliner Zirkus Schumann uraufgeführt, 1920 war es erstmals in Salzburg zu erleben. Dazwischen hatte Europa im Ersten Weltkrieg einen Totalzusammenbruch erlebt, und der nächste zeichnete sich ab.

Die Festspielgründer Max Reinhardt, Hofmannsthal, auch Richard Strauss blickten in dieser Zeit bewusst zurück auf ewige Werte und zeichneten Wege zurück zur Humanität. Der altmodisch wirkende Knittelvers des „Jedermann“, den es auch beim „Faust“ gibt – den er im Burgtheater gespielt hat – berge eine Botschaft, führte Moretti aus. Jeder Darsteller des Jedermann sei prototypisch für seine Epoche, müsse mit „Enthusiasmus und Überzeugungskraft“ seinen Standpunkt finden und behaupten.

Viele Neue, Lohmeyer bleibt als Tod

Vorerst rechnen Moretti und Reinsperger mit einem Engagement von drei bis vier Jahren, die Verträge sind erst im Werden. Ende Oktober war Moretti bei der „Presse“-Gala für die Österreicher des Jahres in der Sparte Kulturerbe ausgezeichnet worden. Man müsse Kultur leben, nicht konservieren, meinte er damals. Mit dem Jedermann hat er nun Gelegenheit, ein zentrales Stück Kulturerbe zu polieren. In österreichischen Mythen ist der gebürtige Tiroler ja sehr bewandert, er hat König Ottokar in Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“ gespielt, im Film Andreas Hofer und den Patriarchen im Alpenwestern „Das finstere Tal“. Sympathisch: Die Zürcherin Bettina Hering, die zuletzt das NÖ-Landestheater in St. Pölten leitete, würdigte nicht nur die Stars des „Jedermann“, sondern sprach über jeden einzelnen Darsteller. Die Inszenierung wird neu aufgestellt. Immerhin: Peter Lohmeyer bleibt als Tod. Einige Rollen werden neu besetzt, Edith Clever (statt Julia Gschnitzer) als Jedermanns Mutter, Mavie Hörbiger übernimmt die Werke, Johannes Silberschneider (bisher ein eindrucksvoller armer Nachbar) den Glauben und Hanno Koffler den Teufel sowie den guten Gesellen. Koffler (36) war ein Schüler Klaus Maria Brandauers, kurz an der Burg. Inzwischen hat er fast drei Dutzend Filme gedreht, darunter „Nacht vor Augen“ von Brigitte Bertele – zu sehen bei der Berlinale – über einen traumatisierten Soldaten.

Wie immer beim „Jedermann“ wurde auch bei dieser Pressekonferenz mit üppigen Vergleichen über diesen Teil der „Festspiel-DNA“ und den „weißen Rauch“, der wie bei der Papstwahl die Findung eines neuen Jedermann verkünde, nicht gespart. Für die neue Festspielführung war der Auftritt in Wien vor allem wichtig als Werbung für die erste Programmvorstellung von Hinterhäuser und Hering am 10. 11. in Salzburg.

BISHER IN DIESEN ROLLEN

Jedermann: Alexander Moissi, Paul Hartmann, Attila Hörbiger, Ewald Balser, Will Quadflieg, Walther Reyer, Ernst Schröder, Curd Jürgens, Maximilian Schell, Klaus Maria Brandauer, Helmuth Lohner, Gert Voss, Ulrich Tukur, Peter Simonischek, Nicholas Ofczarek, Cornelius Obonya.

Buhlschaft: Johanna Terwin, Dagny Servaes, Grete Zimmer, Elfe Gerhart, Maria Becker, Judith Holzmeister, Lola Müthel, Heidemarie Hatheyer, Martha Wallner, Sigrid Marquardt, Ellen Schwiers, Maria Emo, Anna Smolik, Eva Kerbler, Nadja Tiller, Christiane Hörbiger, Nicole Heesters, Senta Berger,

Christine Buchegger, Marthe Keller, Elisabeth Trissenaar, Sunnyi Melles, Maddalena Crippa, Sophie Rois, Dörte Lyssewski, Veronica Ferres, Nina Hoss, Marie Bäumer, Sophie von Kessel, Birgit Minichmayr, Brigitte Hobmeier, Miriam Fussenegger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2016)

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