Wie durch die Digitalisierung doch keine Jobs verloren gehen

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Die Digitalisierung bedroht 44 Prozent aller Arbeitsplätze, hat A.T. Kearney errechnet. Um sie zu erhalten, muss bis 2040 fast ein Drittel der Wertschöpfung aus neuen Produkten kommen.

Wien. Noch donnert es ganz leise, aber es ist doch nicht mehr zu überhören: Die Digitalisierung, die bereits unser Alltagsleben umgekrempelt hat, könnte künftig sehr viele Jobs kosten – durch den Vormarsch von Robotern und die zunehmende Vernetzung von Maschinen und Daten. Laut einer mittlerweile schon berühmt-berüchtigten US-Studie von 2013 droht in Amerika der Verlust von 47 Prozent aller Arbeitsplätze.

Was aber ist für Österreich zu erwarten? Die Unternehmensberater von A.T. Kearney haben in einer aktuellen Untersuchung versucht, diese Frage zu beantworten. In einem ersten Schritt legen sie die Annahmen der US-Forscher auf die heimische Wirtschaftsstruktur um. Das Ergebnis sieht ungemütlich ähnlich aus: 44 Prozent aller Jobs sind hierzulande von der bevorstehenden digitalen Revolution in der Arbeitswelt bedroht. Betroffen sind Jobs in der Industrie wie im Servicebereich – vom Sekretariat bis zur Metallbearbeitung, von der Buchhaltung bis zum Verkauf.

Keine Chancen ohne Risken

Die Autoren gehen aber noch ein paar Schritte weiter. Sie schätzen ab, wie groß die Anforderungen sind, um diesem negativen Szenario zu entgehen und die Gefahren in Chancen zu verwandeln (siehe Grafik). Dabei gehen sie vom aktuellen Arbeitsvolumen aus: 6,7 Mrd. Stunden waren es im Jahr 2015. Bis 2040 rechnet A.T-Kearney-Partner Florian Haslauer „sehr optimistisch“ mit einem durchschnittlichen jährlichen Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent.

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Damit könnte sich – die genannten Gefahren ausgeblendet – das Beschäftigungsvolumen bis dahin weiter moderat erhöhen, auf sieben Mrd. Stunden (ab einer Schwelle von rund einem Prozent Wachstum sei künftig auch mehr Beschäftigung möglich, der Rest werde durch steigende Produktivität erwirtschaftet). Was auch etwas Platz für mehr Frauen, Migranten und Ältere auf dem Arbeitsmarkt ließe.

Wohlgemerkt alles im Konjunktiv. Denn das angenommene Wachstum ist ja nur möglich, wenn Österreich die Chancen der Digitalisierung im Wirtschaftsleben gut nutzt. Über diesem neuen Potenzial ist also nun die drohende Keule zu schwingen: die 44 Prozent oder 3,1 Mrd. Arbeitsstunden, die dann in Summe gefährdet sind.

Der entscheidende Schritt ist aber der dritte: Was ist zu tun, um die Jobverluste unter dem Strich zu vermeiden oder sogar leicht überzukompensieren? Ein kleinerer Teil lässt sich dabei noch leicht abhaken: Die gesteigerte Produktivität wird es auch künftig weiter erlauben, die jährliche Arbeitszeit jedes Beschäftigten leicht zu reduzieren. Dabei schreiben die Autoren nur den Trend der vergangenen Jahre fort.

Ein zweiter kleinerer Bereich ergibt sich ebenfalls mehr oder weniger von selbst: Durch die zunehmende Alterung werden mehr Beschäftigte in den Bereichen Gesundheit und Pflege gebraucht. Und, schon ein wenig auf die künftigen Erfordernisse geschielt: mehr Lehrer, weil ja auch die Bildungsanforderungen steigen – es braucht mehr Softwareingenieure und weniger Sachbearbeiter.

„Schulpflicht verlängern“

Damit bleibt noch eine Lücke von 2,1 Mrd. Arbeitsstunden – und sie ist das entscheidende Fazit der Studie: Für 30 Prozent der Wertschöpfung müssen wir uns bis 2040 etwas Neues einfallen lassen – neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Ein guter Teil davon mag sich aus den Möglichkeiten der Digitalisierung selbst ergeben, aber auch ganz neue Ansätze könnten nötig sein.

Fest steht: Dazu müssen wir kreativer und besser ausgebildet sein als heute. Haslauer sieht es mittelfristig für nötig an, „die Schulpflicht zu verlängern“. Weiters fordern die Autoren eine viel engere Zusammenarbeit von Universitäten und Wirtschaft. Damit hoffen sie, eine unerfreuliche Diskrepanz zu mildern: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind zwar in den letzten eineinhalb Jahrzehnten stark gestiegen, und auch die Quote im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung kann sich mit 3,0 Prozent mittlerweile durchaus sehen lassen. Aber offenbar sind diese Investitionen nicht sehr effizient. Denn bei den Patentanmeldungen pro Einwohner liegt Österreich deutlich zurück: In Deutschland seien es um 92 Prozent mehr, in der Schweiz um 114 Prozent. Was wohl bedeutet: Die Nachbarn sind für die Chancen und Risken der nächsten Jahrzehnte besser gerüstet – zumindest bisher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2016)

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