Porträt. Thomas Gratzer ist Vorstand Produktion und Technik beim Süßwarenhersteller Manner. Im neuen Werk in Wien Hernals ist der gelernte Konditor jetzt auch Herr über 20 Roboter.
Vier Monate, nachdem Thomas Gratzer (49) bei Manner begonnen hatte, stürzte die Fabrik ein. Die Geschichte ging 2014 durch alle Medien: Mitten in der Hauptsaison, zwei Monate vor Weihnachten, krachte das ehrwürdige Gebäude in Wien Hernals zusammen. Um die Produktion zu retten, legten die Kollegen im oberösterreichischen Perg Sonderschichten ein: „Die Mitarbeiter haben uns gerettet“, ist ihnen Gratzer, Vorstand für Produktion und Technik, noch immer dankbar.
Das Perger Werk ist inzwischen geschlossen, die Mitarbeiter in Wien, im Zweitwerk in Wolkersdorf oder bei oberösterreichischen Arbeitskräfteüberlassern („die haben sich um sie gerissen“) untergekommen. In Wien wurde derweil eine hochmoderne Produktion aufgebaut. Warum nicht auf dem Land, wo Fläche kein Problem ist? „Unsere Schutzmarke ist der Stephansdom“, sagt Gratzer, „da kann man nicht außerhalb Wiens produzieren.“
Auf fünf Stockwerken werden jetzt Waffeln gebacken, befüllt und verpackt. Die Transporte übernehmen Roboter. 20 sind es inzwischen: zierliche, menschengroße und deckenhoch riesige. Mit ihrem einzelnen Arm greifen sie die Ware und heben, drehen, schwenken sie auf das nächste Band. „Lean Management“, sagt Gratzer, „bedeutet Arbeiten auf möglichst kurzem Weg. Nutzleistungen entstehen dort, wo echte Werte produziert werden. Stützleistungen helfen nur, diese Nutzleistung zu generieren. Sie haben wir automatisiert.“
Dass Gratzer eines Tages 700 Mitarbeiter und 20 Roboter befehligen würde, war ihm nicht in die Wiege gelegt. In Villach geboren und aufgewachsen lernte er Konditor. „Ich war immer eine wissbegierige Person“, sagt er. Das fiel auch seinem Ausbilder auf. Dieser meldete ihn beim Kärntner Lehrlingswettbewerb an und öffnete ihm auch am Wochenende die Backstube zum Üben. Gratzer gewann.
Seine nächste Station führte ihn zur Konditorei Zauner in Bad Ischl: „Das war hart. Das ganze erste Jahr stand ich auf der Esplanade und füllte Eisbecher.“ Mit 26, nach der Meisterprüfung, ging er nach Polen und baute für einen Investor eine Café-Restaurant-Kette auf. Eigentlich sollte er die Kollegen nur in die Geheimnisse der österreichischen Mehlspeisenküche einweihen. Es wurde sein persönlicher Crashkurs in Sachen Führung. 60 Leute hatte er plötzlich unter sich, Küche, Service, bis hin zum Nachtwächter: „Man muss sauber klären, wer wofür zuständig ist, wer welche Befugnis hat. In Polen habe ich gelernt zu delegieren.“
Zurück in Österreich wiederholte sich das Muster. Gratzer heuerte bei einem Lebensmittelhersteller an, um „für die Waffeln“ zuständig zu sein. Kurze Zeit später verantwortete er den gesamten Bereich. „Es ist empirisch gewachsen“, spielt er herunter, „ich habe nur durch Trial and Error gelernt.“
Fehlt es ihm einmal an Know-how, holt er die Ausbildung nach. Oder er fragt seine Experten so lang, bis er sich auskennt. „Früher hat man gesagt, ,Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr‘. Heute stimmt das nicht mehr. Hans muss immer weiterlernen.“
So wären denn auch die Tätigkeiten der Mitarbeiter, die heute von Robotern ersetzt sind, „über kurz oder lang weggefallen“. An ihrer Stelle werken umso mehr Steuerungsexperten und Programmierer. Ein weiterer Grund für den Produktionsstandort mitten in Wien: „Solche Leute sucht jeder. In Wien ist das Angebot größer.“ Und in seinem 24/7-Schichtbetrieb gelten klare Regeln: „Weil man wissen muss, dass man für die Aufgabe da ist – nicht für die Position.“
ZUR PERSON
Thomas Gratzer (49) ist seit Juni 2014 Produktions- und Technikvorstand beim Süßwarenhersteller Manner. Der gelernte Konditor legte seine Meisterprüfung bei der Bad Ischler Konditorei Zauner ab, baute dann in Warschau eine Café-Restaurant-Kette auf und blieb elf Jahre bei einem Lebensmittelhersteller in Attnang-Puchheim. In seine Ära bei Manner fällt die Umstellung zur automatisierten vernetzten Produktion.
(Print-Ausgabe, 05.11.2016)
