Bei aller Kritik an der Gewerbeordnung, ein Punkt kommt bei allen gut an: Genehmigungen soll es in Zukunft schneller und einfacher geben. Doch genau das kann die Regierung nicht ohne die Opposition umsetzen.
Wien. Reinhard Kainz kann zufrieden sein. Der Wirtschaftskammerfunktionär hat die Novelle zur Gewerbeordnung mitverhandelt – und sie trägt unverkennbar seine Handschrift. Alle 80 reglementierten Gewerbe bleiben geschützt, der Universalgewerbeschein ist verhindert, die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren hingegen kommt. Das Gesetz „stärkt den Wettbewerb“, lobt also auch seine Kollegin Renate Scheichlbauer-Schuster, Spartenobfrau der Wirtschaftskammersparte Gewerbe und Handwerk.
Kritik, dass sie ein Entrümpeln des 160 Jahre alten Gesetzes verhindert hätten, weisen sie zurück. Zugangsregeln seien im Handwerk unerlässlich, um eine „Entqualifizierungsspirale“ zu verhindern, wie sie etwa Deutschland erlebt habe. Dort liberalisierte der Bundestag 2004 etliche Handwerksberufe. In Folge kam es zu einer Flut an Ein-Mann-Betrieben aus Polen und zu einem massiven Schwund an Lehrlingen.
Dem Plan der SPÖ, in der Begutachtungsfrist noch das eine oder andere Gewerbe zu liberalisieren, erteilt Kainz eine Absage: „Das ist das Herzstück, der Garant für Qualität und Konsumentenschutz.“ Und damit nicht weiter verhandelbar. Schon die Liberalisierung von 19 Teil-Gewerben wurde teils nur mit Zähneknirschen zur Kenntnis genommen. Gegen die Freigabe des Fahrradtechnikers und der Speiseeiserzeugung habe man weiter Bedenken. „Ich komme selbst aus der Lebensmittelbranche“, sagt Kainz. „Ich hätte das nicht gemacht.“
In der anfangs strittigen Ausweitung der Nebenrechte sieht die Kammer hingegen einen brauchbaren Kompromiss. So dürfen etwa Maler künftig auch Maurerarbeiten durchführen, wenn sie damit nicht mehr als 15 Prozent ihres Jahresumsatzes verdienen. Bisher agierten sie oft in einer rechtlichen Grauzone. Im freien Gewerbe steigt die Schwelle auf 30 Prozent. Der Inhaber einer Werbeagentur, der auch Fotos macht, Unterlagen kopiert und Webseiten erstellt, spart sich so drei Gewerbescheine und Grundumlagen an die WKO. Ihr dürften 20 Mio. Euro im Jahr entgehen. Für die Kammer ist das immer noch besser als der geplante Universalgewerbeschein für alle 440 freien Gewerbe. Er hätte ihre Einnahmen wohl noch deutlicher verringert.
Zwei-Drittel-Mehrheit gesucht
In einem Punkt sind sich Kritiker und Befürworter der Novelle einig: Die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren war längst überfällig. Bisher liefen bei der Genehmigung von Betriebsanlagen oft mehrere Verfahren parallel. Umweltschutz, Baurecht, Wasserrecht etc. wurden jeweils in einzelnen Bescheiden bedacht. Künftig soll die Bezirksbehörde alle Aspekte prüfen lassen und einen einzigen Bescheid erlassen. Statt bisher sechs hat sie dafür nur vier Monate Zeit. „Wir rechnen damit, dass etwa die Hälfte aller Verfahren wegfallen“, sagt Renate Scheichlbauer-Schuster.
So richtig fix ist das aber nicht. Denn die Regierung braucht die Hilfe der Oppositionsparteien, um die Kompetenzen im Baurecht und im Umweltschutz so zu regeln, dass die Entscheidung künftig auf Bezirksebene fallen kann, bestätigt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Er rechnet damit, dass die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit gerade für diesen Punkt kein Problem sein wird. Läuft alles nach Plan, soll die neue Gewerbeordnung im Frühjahr 2017 in Kraft treten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)