Die Frauen und die Macht

Die Illusionen der Anhängerinnen von Frauen in Spitzenpositionen: Auch diese können Kriege führen, korrupt und asozial sein.

Der US-Wahlkampf wirft nicht nur Fragen über die Demokratie auf, sondern auch ein Schlaglicht auf das Verhältnis von Frauen zur Macht. Irritierend sind dabei die vielen Kommentare zum Geschlecht der Kandidaten: Auf der einen Seite bezeichnen selbst Qualitätsmedien Donald Trump als widerlich, egomanisch und narzisstisch; psychologische Ferndiagnosen werden erstellt, die ihn als krank und gefährlich darstellen.

Auf der anderen Seite steht Hillary Clinton, eine Politikerin, die mit allen Wassern gewaschen ist und die zu kämpfen gelernt hat. Lange Zeit konnte sie die Vorwürfe über ihre Tätigkeit als Außenministerin sowie über ihre Haltung zu den sexuellen Seitensprüngen ihres Mannes gekonnt aus der aktuellen Debatte halten.

Damals sagte sie: „Amerika wählt einen Präsidenten und nicht den Papst.“ Heute kommentiert sie die sexuellen Prahlereien Trumps: Man müsse Amerikas Töchter vor diesem Mann beschützen. Wenn Trump nicht doch noch eine Überraschung gelingt, wird Clintons Strategie aufgehen, denn viele Frauennetzwerke (und auch Männer) unterstützen Clinton blind und nur deshalb, weil sie eine Frau ist. Für sie ist es wichtiger als alle Fakten, dass der nächste Präsident der USA weiblich ist.

„Struktureller Sexismus“

Kommentatorinnen in den Medien – von links bis konservativ – verteidigen die intelligente Frau gegen den grobschlächtigen Mann. Und wenn ihnen bei der Abwehr von Angriffen keine schlagfertigen Antworten mehr einfallen, dann wird die Ablehnung Clintons eben nur noch damit erklärt, dass sie eine Frau ist, wie das Sibylle Hamann in ihrem „Quergeschrieben“ am 2. 11. getan hat. Der „strukturelle Sexismus“ würde verhindern, dass friedliche und sozial denkende Frauen endlich die aggressiven und primitiven Männer an der Macht ablösen könnten.

Aber wie tief auch immer die Beleidigungen gegen Trump ausfallen, es hat sich noch kein männlicher Kommentator darüber beklagt, dass es diese Vorwürfe nur gebe, weil er männlich ist.

Damit zeigt sich, dass von vielen frauenbewegten Personen und Gruppierungen es als wichtiger erachtet wird, welches Geschlecht ein Bewerber hat, als welches politische Programm er hat. Dies aber ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte, denn diese lehnen die Beurteilung eines Menschen nach Religion, Rasse oder Geschlecht eindeutig ab.

Frauen, die Top-Positionen anstreben, haben meistens ihre Hausaufgaben in Sachen Kompetenz erledigt. Sie kämpfen erfolgreich, indem sie Sympathisantinnen instrumentalisieren und sie die Frauenkarte spielen lassen; sie nutzen diese sozusagen als „Frauen fürs Grobe“ für ihre Argumentation mit dem Holzhammer aus.

Die Gefolgschaft mächtiger Frauen erfüllt ihre Dienste mit viel Engagement. Doch muss man befürchten, dass ihre Illusionen zerplatzen werden, weil weibliche Politiker (und Führungskräfte) ebenso Krieg führen, korrupt und asozial handeln können wie männliche. Frauen müssen daher dringend das ABC der Macht erlernen. Denn den meisten Menschen ist das Geschlecht der Politiker inzwischen völlig egal. Wichtig ist ihnen, dass sie ihre Existenz gesichert sehen und sich sicher fühlen können.

Christine Bauer-Jelinek (*1952 in Wien) studierte Pädagogik und Psychologie und ist Wirtschaftscoach und Sachbuchautorin.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

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