Chinas Staatskapitalismus nimmt Kurs auf Europa

A man looks at a building covered in posters of Chinese President Xi Jinping in Shanghai
A man looks at a building covered in posters of Chinese President Xi Jinping in ShanghaiREUTERS
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Chinesische Unternehmen haben es auf Hochtechnologie-unternehmen in Europa abgesehen. Was vielen Europäern vor allem Angst einjagt: Hinter den Investoren steckt fast immer der Staat.

Es war wahrlich kein einfacher Besuch für den deutschen Wirtschaftsminister. Noch vor zwei Jahren hatte Chinas Staatspräsident, Xi Jinping, Sigmar Gabriel höchstpersönlich empfangen und ihn als Vorsitzenden der „ältesten sozialdemokratischen Partei der Welt“ gefeiert. Dieses Mal düpierten ihn ein chinesischer Spitzenpolitiker nach dem anderen und sagten dem deutschen Vizekanzler spontan Treffen ab. Auch die Begegnungen, die stattfanden, fielen alles andere als herzlich aus. Unterkühlt sei das Klima gewesen, berichten Diplomaten. Manche Beobachter sprachen gar von einem Eklat.

Grund für den frostigen Empfang: Gabriel hatte eine Woche zuvor den Verkauf des deutschen Spezialmaschinenbauers Aixtron an einen chinesischen Investor gestoppt. Auch der Verkauf der Münchner Osram-Sparte Levance wollte er noch mal prüfen. Die Begründung: Bei den chinesischen Investitionen könnte es sich um strategisch wichtige und womöglich sicherheitsrelevante Unternehmen handeln.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Hat Gabriel bei seinem Besuch vor zwei Jahren noch um chinesische Investoren in Deutschland geworben, fürchten inzwischen viele Deutsche den technologischen Ausverkauf. Tatsächlich sind chinesische Investitionen in Deutschland binnen kurzer Zeit exorbitant in die Höhe geschossen. Heuer gab es 40 chinesische Übernahmen deutscher Unternehmen und weitere sechs Minderheitsbeteiligungen im Gesamtwert von über zehn Milliarden Euro. Das sind mehr als 20-mal so viel wie im ganzen Jahr 2015. Europaweit liegen die chinesischen Investitionen nach Angaben der Europäischen Handelskammer in Peking bei 22 Milliarden Euro.

Was die Einkaufstour der Chinesen so beängstigend macht: Hinter jeder größeren Übernahme steckt die chinesische Führung. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung haben in den vergangenen zwei Jahren zehn chinesische Staatsunternehmen in Deutschland investiert. Und bieten nicht unmittelbar die chinesischen Staatsunternehmen und staatlich finanzierten Fonds für europäische Hochtechnologieunternehmen, sind es chinesische Unternehmen, die von mächtigen Kadern der Kommunistischen Partei geführt werden und in Form von großzügigen Krediten auf die Hilfe chinesischer Banken setzen können. Die Banken in China sind allesamt in staatlicher Hand.

So geschehen bei der Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka durch Midea. Das südchinesische Unternehmen, das bislang mit dem Bau von Kühlschränken und Klimaanlagen von sich reden machte, will für 4,5 Milliarden Euro die größte Übernahme eines chinesischen Unternehmens in Deutschland stemmen. Ohne staatliche Hilfe sei das unmöglich, so Insider.

Die Autorin der Bertelsmann-Studie, Cora Jungbluth, hält die Eigentumsstrukturen chinesischer Unternehmen für intransparent. Es gebe „eine Vielzahl informeller Verflechtungen zwischen Staat und Wirtschaft. Auch chinesische Privatunternehmen können daher nicht vorbehaltlos als Wirtschaftsakteure gelten, die ausschließlich ökonomische Motive verfolgen.“

Das plötzliche Interesse chinesischer Investoren an europäischen Unternehmen kommt denn auch nicht von ungefähr. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping persönlich hat im vergangenen Jahr mit „Made in China 2025“ für sein Land die Parole ausgegeben, innerhalb von zehn Jahren zu einer Hightech-Nation aufzusteigen. China soll nicht mehr länger nur als Werkbank der Welt herhalten.

Weil es in China noch an Hightech-Innovationen mangelt, sollen die Chinesen die Ideen von den Hochtechnologieländern kaufen. 51 von 99 Übernahmen passten in die industriepolitische Strategie „Made in China 2025“, schreibt Jungbluth in ihrer Studie. Für Länder wie Deutschland und die Schweiz, die bislang stolz auf ihre freien Marktbedingungen waren und es nicht für nötig hielten, ihre Schlüsseltechnologien vor Übernahmen zu schützen, stellt sich die Frage, ob sie über Investitionsschutzabkommen nicht hätten längst handeln sollen. Die USA, Japan, Australien und Großbritannien haben bereits Maßnahmen getroffen und geben den Chinesen bei ihren Kaufabsichten laufend einen Korb.

„Wir werden weiter ausländische Investoren mit einem echten wirtschaftlichen Interesse willkommen heißen“, betonte Gabriel. „Wir werden aber Fälle zu unterscheiden lernen, in denen ein staatlich beherrschtes Unternehmen Technologieaneignung mit geopolitischer Machterweiterung verbindet.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2016)

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