Finanzausgleich: Schellings „Einstieg in den Umstieg“

Die Verhandler beim Unterschreiben: Finanzminister Hans Jörg Schelling freut sich über den neuen Finanzausgleich.
Die Verhandler beim Unterschreiben: Finanzminister Hans Jörg Schelling freut sich über den neuen Finanzausgleich.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Bund, Länder und Gemeinden haben sich auf die Aufteilung der Steuermittel bis 2021 geeinigt. Für die Bundesländer gibt es 300 Millionen Euro zusätzlich. Dafür soll ein Benchmarking eine bessere Kontrolle ermöglichen.

Wien. Was macht ein Finanzminister, der die große Systemumstellung versprochen hat, diese aber nicht zustande bringt? Hans Jörg Schelling macht aus der Not eine Tugend und verkauft den neuen Finanzausgleich als „Einstieg in den Umstieg“. Die Steuermittel des Bundes sollten nicht mehr nach der Bevölkerungszahl auf Bundesländer und Gemeinden verteilt werden, sondern nach den Aufgaben der Gebietskörperschaften, so der ursprüngliche Plan des Ministers. Daraus wird vorerst nichts, es gibt aber ein erstes Pilotprojekt in diese Richtung. Und Länder und Gemeinden dürfen sich über höhere Mittel freuen: 300 Millionen Euro gibt es zusätzlich im Jahr. Dazu kommt eine Einmalzahlung von 125 Mio. Euro für die Flüchtlingsbetreuung. Der bis 2021 geltende Finanzausgleich im Detail:

Kinderbetreuung

Die Kindergärten sind Schellings Pilotprojekt für den „Einstieg in den Umstieg“: Ab 2018 fließen die Mittel an die Länder und Gemeinden aufgrund von bis dahin auszuarbeitenden Kriterien. Da geht es um die Zahl der zu betreuenden Kinder, um die Gruppengrößen, die Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen und die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund. Ein Jahr später, also 2019, soll auch die Finanzierung der Nachmittagsbetreuung an den Schulen nach diesem Prinzip abgewickelt werden. Welche weiteren Bereiche dann folgen könnten, soll in Arbeitsgruppen diskutiert werden.

Verteilung

Für den Gemeindebund ist der abgestufte Verteilungsschlüssel, der die Städte bevorzugt, ein Ärgernis. Daran wird zwar grundsätzlich nichts geändert, von den 300 zusätzlichen Millionen gehen aber 106 Millionen an die Kommunen und da wiederum 60 Millionen Euro an einen Fonds für strukturschwache Gemeinden. Auch von den 125 Millionen Euro für Flüchtlinge sind 37 Millionen für Gemeinden vorgesehen, die Asylwerber aufgenommen haben.

Steuerhoheit

Auch der zweite große Plan des Finanzministers hat sich nicht umsetzen lassen: Schelling wollte das Prinzip durchbrechen, dass der Bund für die Einhebung der Steuern zuständig ist, die Länder aber für das Verteilen der Mittel. Das Angebot, einen Teil der Steuern selbst einzuheben, haben die Länder aber dankend abgelehnt. Auch hier ist nur ein Pilotprojekt übrig geblieben: Die Bundesländer können künftig den Beitrag zur Wohnbauförderung selbstständig festsetzen und haben bezüglich der Höhe völlige Autonomie. Es gibt aber keine Zweckbindung. Es gibt zwar das Ziel, die eingehobenen Mittel „für den Wohnbau zu kanalisieren“, so Schelling, zwingend vorgeschrieben ist das aber nicht. Auch hinsichtlich der Steuerautonomie soll eine Arbeitsgruppe weitere Möglichkeiten ausloten.

Gesundheit

Die Kosten für Gesundheit und Pflege wachsen stark an – und das wird auch weiterhin so bleiben. Mit dem Finanzausgleich wird lediglich versucht, unter dem Titel „Kostendämpfungspfad“ den Anstieg in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Im Gesundheitsbereich soll der jährliche Zuwachs bis zum Ende der Finanzausgleichsperiode im Jahr 2021 von 3,6 auf 3,2 Prozent abgeschmolzen werden. Höhere Steigerungsraten sind bei der Pflege vorgesehen: Der mit 350 Millionen Euro dotierte Pflegefonds wird jährlich mit 4,5 Prozent valorisiert.

Geeinigt hat man sich auch auf die Finanzierung der Primärversorgung: Für Gruppenpraxen und Ambulatorien mit kundenfreundlichen Öffnungszeiten gibt es 200 Millionen Euro.

Hospiz

Eine Lücke im Gesundheitswesen soll geschlossen werden: Für den Ausbau der Hospiz- und Palliativmedizin werden 18 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, wobei sich Bund, Länder und Sozialversicherungen die Kosten zu je einem Drittel teilen. Abgeschafft werden auch die Selbstbehalte für Kinder in Spitälern.

Haftungsgrenze

Das Bundesland Kärnten wäre aufgrund seiner Haftungen für die Hypo Alpe Adria beinahe in die Insolvenz geschlittert. Das soll künftig nicht mehr möglich sein, Bund und Länder haben sich verpflichtet, ab 2018 die Haftungen auf 175 Prozent der Einnahmen zu beschränken, bei Gemeinden sind es 75 Prozent. Ab 2018 gilt das deshalb, weil bis ins kommende Jahr noch Haftungen laufen, die die Länder für ihre jeweiligen Landeshypos eingegangen sind. Ebenfalls vereinbart wurde ein einheitliches Spekulationsverbot für Bund, Länder und Gemeinden, das bis spätestens Ende kommenden Jahres umzusetzen ist.

Benchmark

Für den oberösterreichischen Landeshauptmann, Josef Pühringer, ist es „sensationell“: Die Länder haben sich dazu verpflichtet, ein Benchmarking einzuführen, um die Verwaltungskosten vergleichbar zu machen. Damit könne man künftig nachprüfen, was eine Bezirksverwaltung oder ein Krankenhausbett kostet, so Pühringer. Ebenfalls eingeführt wird eine Ausgabenanalyse, genannt Spending Reviews. Aufgaben und Ausgaben von Gebietskörperschaften sollen darauf untersucht werden, ob sie zeitgemäß sind und gewünschte Resultate bringen bzw. wo es sinnvolle Ansatzpunkte zu Einsparungen gibt. Und noch ein – zumindest kleiner – Erfolg in Richtung Transparenz ist gelungen: Die Länder haben sich dazu verpflichtet, Daten aus den Bereichen Umwelt und Energie in die Transparenzdatenbank einzuspeisen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2016)

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