Österreich: „EU-Gelder für Türkei einfrieren“

Recep Tayyip Erdoğan.
Recep Tayyip Erdoğan.(c) APA/AFP/TURKISH PRESIDENTIAL PRE
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Abgeordnete von SPÖ, ÖVP, Grünen und Neos üben Kritik an Erdoğans Politik. Die EU solle Heranführungshilfe für Ankara aussetzen.

Wien. Angesichts des Vorgehens der türkischen Behörden gegen die linke, prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) fordern österreichische Nationalratsabgeordnete Konsequenzen für die Regierung in Ankara. Bei einer Pressekonferenz mit dem Dachverband kurdischer Vereine in Österreich (Feykom) kritisierten Abgeordnete von SPÖ, ÖVP, Grünen und Neos die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Dabei wurde gefordert, die EU-Heranführungshilfen für die Türkei auszusetzen.

2014 seien 912 Millionen Euro an diesen Geldern geflossen. Für den Zeitraum von 2014 bis 2020 seien 4,45 Milliarden Euro zugesichert worden, sagte Berivan Aslan, Abgeordnete der Grünen. „Ich will nicht als Steuerzahlerin in Europa einen kriegstreibenden Despoten finanziell stärken.“ Aslan forderte, dass Österreich seinen Botschafter aus Ankara zurückberuft. Die Verhaftungswelle sei ein Zeichen dafür, dass Erdoğan den Friedensprozess mit den Kurden nicht weiterführen wolle, sagte die grüne Abgeordnete. Sie warnte vor einem Bürgerkrieg in der Türkei. Dann könnten zehn Millionen Flüchtlinge vor den Toren Europas stehen.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder kritisierte, dass die türkische Führung den Weg in Richtung Autoritarismus und Diktatur eingeschlagen habe. Die Verhaftung gewählter Abgeordneter sei nicht nur eine innertürkische Frage. Auch Schieder setzte sich dafür ein, die Zahlung der EU-Heranführungshilfen auszusetzen. Ob weitergehende Sanktionen verhängt werden, müsse auf europäischer Ebene diskutiert werden. Sollte die Türkei den Kurs Richtung Einführung der Todesstrafe fortsetzen, stelle sie damit auch ihre Mitgliedschaft im Europarat infrage.
ÖVP-Menschenrechtssprecherin Elisabeth Pfurtscheller äußerte die Befürchtung, dass nach den Abgeordneten der HDP auch Politiker anderer Oppositionsparteien ins Visier der türkischen Behörden geraten könnten. Mit dem EU/Türkei-Flüchtlingsdeal sei Erdoğan ein Hebel in die Hand gegeben worden, den er nicht bekommen hätte sollen.

Neos-Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak forderte ebenfalls, keine EU-Hilfe mehr in die Türkei zu schicken. Über Jahre sei damit versucht worden, die Türkei an demokratische Prinzipien heranzuführen. Passiert sei jedoch genau das Gegenteil. (w. s.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2016)

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