Kleines Börsen-Beben nach dem Trump-Sieg

REUTERS (CARLOS JASSO)
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Donald Trump gewinnt nach einer stundenlangen Zitterpartie überraschend die Präsidentschaftswahl in den USA. An den europäischen Börsen hält sich die Panik in Grenzen.

Der überraschende Wahlsieg des künftigen US-Präsidenten Donald Trump hat die globalen Finanzmärkte durchgerüttelt. Einige Anleger setzten allerdings auf einen Konjunkturschub und einen pragmatischeren Politikstil des als Börsenschreck geltenden Milliardärs. Dadurch machten die europäischen Börsen und der Dollar ihre herben Anfangsverluste teilweise wett. Im Gegenzug konnte die "Antikrisen-Währung" Gold ihre Gewinne nicht halten.

"Der Grund hierfür ist der versöhnliche Tenor von Trumps Siegesrede", sagte Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets. Der Wahlsieger rief dazu auf, die Spaltung der Gesellschaft in seinem Land zu überwinden. Außerdem wolle er "fair" mit der Weltgemeinschaft umgehen.

Dax und EuroStoxx50 notierten nach anfänglichen Verlusten von knapp drei Prozent nur noch jeweils rund ein Prozent im Minus bei 10.385 und 2981 Punkten. Auch an anderen Börsen wie in London und Paris standen die Zeichen auf Entspannung. Die Terminkontrakte auf die US-Aktienindizes signalisierten ein vergleichsweise moderates Eröffnungsminus an der Wall Street von gut zwei Prozent. Der Euro lag mit 1,1095 Dollar mehr als zwei US-Cent unter seinem Tageshoch.

Der Goldpreis, der zunächst fünf Prozent zugelegt hatte, notierte nur noch 2,3 Prozent im Plus bei 1304,60 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Der Ölpreis drehte sogar knapp ins Plus. Die richtungsweisende Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um 0,3 Prozent auf 46,19 Dollar je Barrel (159 Liter).

"Nimmt man Trump beim Wort, so plant er deutlich niedrigere Steuern und höhere Ausgaben", betonte Stefan Kreuzkamp, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters Deutsche Asset Management. "Das liefe auf ein stattliches staatliches Konjunkturprogramm hinaus, zu einem Zeitpunkt, an dem die USA bereits nahe an der Vollbeschäftigung sind." Hiervon profitierten unter anderem Werte wie HeidelbergCement. Der Bauindustrie-Zulieferer sieht sich mittelfristig als einer der Profiteure des Wahlausgangs. Seine Aktien gewannen 4,5 Prozent. Die Konkurrenten Buzzi Unichem und CRH legten sogar bis zu 7,8 Prozent zu. Letztere kletterten auf ein Neuneinhalb-Jahres-Hoch von 32,12 Euro.

Pharmawerte legten vier Prozent zu. Wahlverliererin Hillary Clinton hatte sich in den vergangenen Monaten für Zwangsrabatte auf Medikamente stark gemacht. Rüstungsfirmen wie Rheinmetall gehörten mit Kursgewinnen von 4,6 Prozent ebenfalls zu den Favoriten. Trump will die Verbündeten der USA an den Kosten für die Präsenz von US-Truppen zur Kasse bitten will, setzten Anleger Börsianern zufolge auf steigende Militärausgaben europäischer Staaten.

Wird die Suppe heiß gegessen?

Dem Vermögensverwalter EuroSwitch zufolge wird der Wahlsieger in der Handelspolitik einen pragmatischeren Kurs fahren als gedacht. "Unternehmen wie Apple & Co. sind global vernetzt und auf den Freihandel angewiesen." Der Index für die europäische Automobil-Branche verlor dennoch 2,6 Prozent. Anleger fürchten, dass die Hersteller nun in den USA im Vergleich zu den heimischen Autokonzernen ins Hintertreffen geraten könnten.

Peso auf Rekordtief

Der Dollar leide zusätzlich unter der schwindenden Aussicht auf baldige Zinserhöhungen durch die US-Notenbank Fed, sagte Dominic Rossi, Chef-Anleger für Aktien beim Fondsanbieter Fidelity. Der Greenback verlor zeitweise 3,7 Prozent auf 101,20 Yen und 2,3 Prozent auf 0,9951 Franken. Der Euro verteuerte sich um einen guten halben US-Cent auf 1,1080 Dollar. Der Goldpreis stieg um 1,7 Prozent auf 1297,19 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm).

Härter traf es den mexikanischen Peso. Er reagiert besonders sensibel auf die Nachrichten rund um die Wahl im nördlichen Nachbarland USA, da Trump unter anderem Strafzölle auf mexikanische Waren plant und an der Grenze eine Mauer bauen will. Der Dollar stieg um bis zu 13,5 Prozent auf ein Rekordhoch von 20,77 Peso und steuerte damit auf den größten Tagesgewinn seit 22 Jahren zu.

Die Furcht vor einem Einbruch des Mexiko-Geschäfts drückte die BBVA in Madrid bis zu neun Prozent ins Minus. Das spanische Geldhaus macht mehr als 40 Prozent seiner Gewinne in dem Land. Am deutschen Aktienmarkt gehörte die Deutsche Bank mit einem Kursminus von 3,6 Prozent zu den größten Verlierern. Dem Geldhaus drohen in den USA milliardenschwere Strafen wegen Tricksereien am Immobilienmarkt.

Erste Reaktionen von Ökonomen

OTMAR LANG, CHEFVOLKSWIRT TARGOBANK:

"Die kommenden Wochen und Monate stehen im Zeichen der Unsicherheit. Darunter dürfte der Binnenkonsum ebenso leiden wie die Investitionsneigung von US-Unternehmen. Sie treibt vor allem die Angst vor einem Handelskrieg um. Immerhin kündigte Donald Trump im Wahlkampf Strafzölle gegen China und Mexiko von 45 beziehungsweise 35 Prozent an. Positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen dagegen könnte sich eine zügige Unternehmenssteuerreform auswirken, für die Trump etwa eine Steuersenkung von 35 auf 15 Prozent in Aussicht gestellt hatte.

Dennoch ist kurzfristig mit Wachstumseinbußen zu rechnen. Das wird den Börsen wehtun. Wie weh, wird vor allem von der amerikanischen Notenbank Fed abhängen. Diese dürfte die geplante Zinssenkung im kommenden Monat zumindest auf das Frühjahr verschieben. Sie muss sich nur sehr bald zur neuen Lage äußern - ebenso wie auch der Kongress klar machen muss, was er bereit ist mitzutragen. Es sei denn, Trump selbst rückt von seinen Wahlkampfaussagen schnell wieder ab."

THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:

"Bleibt Trump bei seiner harten außenwirtschaftlichen Linie, verspricht dies nichts Gutes. Wahrscheinlich muss sich Donald Trump aber den Fakten stellen und zurückrudern. Der Freihandel kann so einfach nicht auf den Kopf gestellt werden, ansonsten wäre die US-Wirtschaft selbst stark gefährdet. Kehrt Trump von seiner extremen außenwirtschaftlichen Positionierung ab, blieben Steuersenkungen und eine deutliche Erhöhung der Staatsausgaben als Kernelemente seiner Wirtschaftspolitik. Dies wäre dann positiv für die US-Wirtschaft und somit auch für die Weltökonomie als ganzes.

Die US-Notenbank wird in den kommenden Wochen die Reaktion an den Finanzmärkten abwarten, auch das Verhalten wichtiger konjunktureller Frühindikatoren wird für US-Notenbankchefin Yellen entscheidend sein. Bleiben die Aktienmärkte unter Druck und leidet darunter die Unternehmens- und Verbraucherstimmung, dürfte die US-Notenbank von einer weiteren Zinserhöhung im Dezember absehen."

STEFAN BIELMEIER, CHEFVOLKSWIRT DZ BANK:

"Die Folgen der Wahl sind - wie der Kandidat Trump - völlig unberechenbar. Einige seiner Pläne sind radikal, viele nur rudimentär bekannt. Die Unklarheit über die künftige Wirtschaftspolitik ist groß, die Finanzierung der Steuerpläne ungewiss und die Aussagen zur Handelspolitik lassen sogar einen Handelskrieg befürchten. Die Beziehungen zu Europa und zur Nato dürften sich eintrüben. Wenn Donald Trump seine Wahlversprechen tatsächlich umsetzt und er ein spürbares Konjunkturprogramm für die US-Wirtschaft initiiert, sollte die US-Konjunktur zunächst profitieren und damit auch die wichtigsten Handelspartner. Mittelfristig dürfte der Politikentwurf von Donald Trump jedoch zu einer spürbar geringeren Wachstumsdynamik binnenwirtschaftlich wie global führen. Somit wird die zunächst negative Entwicklung an den Kapitalmärkten wohl kurzfristig überzeichnet sein, mittelfristig aber als berechtigt erscheinen."

KATHLEEN BROOKS, BROKERHAUS CITY INDEX:

"Das ist unbekanntes Territorium für die USA, das politische Establishment könnte heute über den Haufen gerannt werden, was weitreichende Konsequenzen für die Finanzmärkte für eine geraume Zeit nach sich ziehen würde. Ein weiteres Risiko ist, wie die Bevölkerung auf einen Sieg von Trump reagieren könnte. Kommt es zu gewalttätigen Protesten könnte das noch mehr Volatilität für die Märkte bedeuten."

MARCEL FRATZSCHER, DIW-PRÄSIDENT:

"Natürlich wird es kurzfristig zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kommen. Das sieht man ja bereits jetzt, und das dürfte sich in den kommenden Tagen fortsetzen. Aber ähnlich wie nach dem Brexit-Votum der Briten werden sich die Wellen wieder glätten. Schnell wird man feststellen, das sich eigentlich nicht so viel ändern wird. Viele seiner verrückten Pläne - etwa in der Steuer- und Handelspolitik - wird Trump nicht umsetzen können. Wir haben eine funktionierende Demokratie in den USA. Auch der mächtigste Mann der Welt kann nicht tun, was er will.

TTIP wird jetzt für zumindest vier Jahre erst einmal auf Eis gelegt. Das sind vier verlorene Jahre. Die werden Europa mehr schmerzen als die USA. Für die deutsche Wirtschaft wird es keinen massiven Schaden geben, auch wenn eine schwächer wachsende US-Wirtschaft uns treffen wird."

HOLGER SANDTE, EUROPA-CHEFVOLKSWIRT NORDEA:

"Niemand weiß genau, was ein Präsident Trump bedeutet. Und diese Unsicherheit ist genau das Problem. Sie spiegelt sich auch in der negativen Reaktion auf den Finanzmärkten wider. Sollte das wochenlang anhalten, wird die Fed die Zinsen im Dezember nicht anheben. Wie nach dem Brexit-Referendum ist die Prognoseunsicherheit nun besonders hoch.

Wenn Trump seine Ausgabenpläne umsetzt, könnten die US-Anleiherenditen deutlich steigen, was die US-Wirtschaft und damit die Weltwirtschaft belasten würde. Auch für den Freihandel wird es schwierig. Und in Europa werden die Anti-Establishment-Bewegungen Aufwind spüren."

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:

"Trump ist ein erklärter Gegner des Freihandels. Darunter werden nicht nur Mexiko, Kanada und China leiden. Vielmehr wird er der gesamten Welthandelsordnung schweren Schaden zuführen. Der Welthandel, der in preisbereinigter Rechnung bereits seit zwei Jahren stagniert, wird unter einem Präsidenten Trump sicher nicht zur alten Dynamik zurückfinden. Das wird die Exportnation Deutschland zu spüren bekommen, wenn der gegenwärtige konsumgetriebene Aufschwung in ein paar Jahren ausläuft.

Trumps Sieg steht für eine Niederlage des politischen, wirtschaftlichen und publizistischen Establishments in den USA. Das wird die gegen das Establishment gerichteten Kräfte in vielen EU-Ländern weiter stärken, auch in Deutschland. All das schwächt in der EU die Regierungen und schafft ein Klima, in dem sich die Regierenden nicht an Reformen wagen. Das zementiert die Probleme der EU und drängt die EZB in die Rolle des geldpolitischen Ausputzers.

Natürlich können sich die Aktienmärkte nach dem unvermeidlichen Ausverkauf am heutigen Tag wieder rasch erholen. Aber für die Märkte dürfte die Wahl Trumps ein weit größeres Problem sein als das Brexit-Votum im Juni. Schließlich geht die immer noch größte Volkswirtschaft der Welt unter einem Präsidenten Trump in der Handelspolitik auf Konfrontationskurs. Hinzu kommt die monatelange Unsicherheit darüber, was genau Trump tun wird."

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